Aaalso, dann meld ich mich auch mal zu Wort. Hab mir den Film im Zusammenhang mit den Nominationen angeschaut und mir vorher auch ein paar der Kommentare hier durchgelesen.
Ich will ehrlich sein, ich kann mich den ganzen Wow's und Genial's und so nicht anschliessen. Ich kenne deine früheren Werke nicht und es mag sein, dass ihr euch immens gesteigert habt. Ich versuche einfach das zu beurteilen, was ich hier letztenendes gesehen habe. Und das zeigt tatsächlich vieles, was in die richtige Richtung geht, halt aber auch einiges, was noch sehr in den Anfängen steckt bzw einfach schlicht gar nicht funktioniert.
Also erstmal: Ihr versucht, eine wirkliche Geschichte zu erzählen und das hebt euch sehr positiv von vielen anderen ab. Daher find ich: Das ist auf jeden Fall sehr gut! Dafür kriegt man von mir immer Lob und mein ich auch ganz ehrlich!
Allerdings muss ich auch sagen, das Drehbuch wirkt nach einem "first draft" - also einer ersten Fassung, der es deutlich an Überarbeitung und Dramaturgie fehlt. Es hat ein durchdachtes, spannendes Grundkonzept, viele Wendungen und auch Momente, die auf dem Papier durchaus emotional sein mögen, es leidet aber auch unter krassen Klischees, Unlogik und schwachen Dialogen. "Echte" Figuren mit echten Emotionen und Motivationen sind darin eigentlich kaum zu finden. Was man findet, sind wandelnde Klischees aus Actionfilmen.
Dann kommen die Darsteller. Und das ist halt so ein Punkt, wo ich wohl einfach merke, dass ich keine 17 mehr bin... Deine Darsteller sind allesamt zu jung. Ich kauf ihnen die Rollen schon beim Anblick nicht ab. Nicht nur der mit dem Stock, da wirds einfach am offensichtlichsten lächerlich, sondern auch alle anderen. Irgendwie scheint die ganze Welt in deinem Film aus knapp 20 jährigen zu bestehen, die Chefs sind, 5 Jahre für die gleiche Firma gearbeitet haben, verheiratet sind, Profikiller sind, für die Mafia arbeiten, Kriminalbeamte usw. Sorry, aber das funktioniert nicht und unterwandert die Punkte, die am Drehbuch funktionieren halt gleich nochmals, weil man schon auf zwei Ebenen beide Augen zudrücken muss um sich emotional hineinzuversetzen. Da werden mir auf drehbuchebene klischierte Figuren präsentiert, die dann noch nicht mal passend besetzt sind. Da kommt bei mir keine echte Emotion beim schauen auf und die Frage stellt sich, wieso überhaupt eine solche Geschichte, wenn ihr die gar nicht glaubhaft erzählen könnt?
Das klingt jetzt sehr kritisch und das ist es auch. Warum sag ich dir das überhaupt?
Weil ich finde, du hast ganz klar Talent! Deine Bildmontage finde ich gut! Sicher, die Bilder sehen bildästhetisch schwach aus, sind typisch amateurfilmig (und haben mich ehrlich gesagt bisher auch abgeschreckt, mir den Film überhaupt anzusehen), aber sie sind in der Erzählich zweckmässig und klar geführt! Das sieht man einem Screenshot nicht an. Aber da merkt man eine klare Regie und jemand, der weiss, was er erzählen will und sich mit dem auseinandersetzt, was er erzählen will. Zumindest auf der Ebene. Bessere Beleuchtung und eine hübschere Kadrierung würden die Bilder aufwerten, aber was viel wichtiger ist bei der Bildsprache, ist die Klarheit. Und die ist schon gut da.
Dein Schnitt finde ich zu lang. Ich würd erneut behaupten, der Film ist 20% zu lang. Aber das ist normal. Man mag seine Sätze und sein Material und glaubt, man brauche alles. Man will jeden noch so bedeutungslosen Blick zeigen (zum Beispiel als der Chef dem Arbeiter kündet. Da ist die Szene schon längst vorbei, aber du lässt ihn rauslaufen und gibst dem Chef dann auch noch zeit, despektierlich zu kucken... Solche Sachen hats noch zahlreich in deinem Film - die würde dir jeder gute Cutter einfach rausschneiden)
Du hast einen absolut guten Weg eingeschlagen, gehst ihn aber noch nicht konsequent. Es gibt die "Ich dreh einfach was ich Lust hab" Amateurfilmer, die ihre Trashsachen drehen, sich gegenseitig die Birne einschlagen oder grundlos losballern oder peinliche Sketches inszenieren und das ganz lustig finden. Und es gibt die, die sich an ernsthafte Geschichten wagen und damit bewegen und unterhalten wollen. Erste sind für mich ziemlich uninteressant, letztere sind die Spannenden. Und nach diesem Film tu ich dich mal in die Kategorie 2. (Nicht zuletzt wegen deines Avatars, der ja hohe Erwartungen schürt, wenn du grad ein Bildnis eines Meisterregisseurs verwendest)
Und da finde ich, könntest du noch konsequenter sein. Dein Drehbuch macht noch nicht den Eindruck, als ob du tatsächlich eine Geschichte nimmst, die dich interessiert und ehrlich bewegt, sondern als ob da immernoch stellenweise deine DVD Sammlung durchdrückt, die du ganz cool findest und auch gerne mal machen willst - Da muss geballert werden, alle sterben und die Emotionen sind halt noch nicht echt, sondern Aufgrund von nicht gänzlich verarbeiteten Seherfahrungen konstruiert. Zumindest wirkt das so auf mich. (In etwa wie bei mir "Face to Face" und "NightCast", welche ich im ähnlichen Alter wie du geschrieben habe).
Es gibt imo nichts, was einem als ernsten Filmemacher mehr hilft als einen gnadenlosen, kritischen und unerbittlichen Blick - Gerade als Autorenfilmer. Funktioniert das WIRKLICH? Ist das Drehbuch wirklich wasserdicht? Kann es Emotionen transportieren? Können es meine Darsteller? Ist das mein Fandom, der mich motiviert, oder ist die Geschichte wirklich gut? Bin ich ein einfaches, blasses Abbild von dem, was ich zu kopieren versuche, oder habe meine eigene Identität, die für sich stehen kann?
Nachdem ich deinen Film gesehen habe finde ich, das sind Fragen, mit denen du dich mal ernsthaft auseinandersetzen solltest. Ich persönlich habe das Gefühl, da liegt noch deutlich mehr drin bei dir. Daher bin ich auch gespannt auf dein nächstes Werk. Und spare mir das "Wow, genial!" für ein kommendes Werk. Das hier ist ein vielversprechender Anfang.