Einleitend wäre zu sagen, dass es mir schwer fällt, das Gesehene mit dem über mehrere Monate offensiv Angekündigten in Einklang zu bringen. Was jetzt nicht heißen soll, dass ich mit einer Erwartungshaltung an den Film herangegangen wäre, im Gegenteil. Nach den Antworten auf meine letzten Beiträgen zu diesem Projekt hatte ich gar keine mehr und wollte eigentlich auch keine Kritik üben. Nur die Tatsache, dass du dich auch meist bemühst, anderen (konstruktive) Kritik zu geben, "rettet" dich. Von mir jetzt also auch mal eine Kritik, ohne andere vorher gelesen zu haben:
1. WAS (Handlung)
Die Handlung zieht sich, schon der Anfang/"Weg zum Haus" ist viel zu lang. Irgendwo in der sechsten Minute habe ich dann dem Drang abzuschalten widerstehen müssen. Irgendwann im Wohnzimmer ("Mannequin", Fernbedienung, überfüllte Gläser, TV) dachte ich mal: Hat nen Touch von Phantome des Hutmachers (das Buch, nicht der Film) auf misslungenem Existenzialismustrip. Als dann die Waffe ins Spiel kam, dachte ich "Na klar, musste ja sein". Bei der Verfolgung auf der Straße verlor ich dann die Lust an der Handlung. Ob es an ihr selbst oder an der Erzählweise lag, sei mal dahingestellt. Nur soviel:
"Die Story... Naja... Fand ich nicht gut! Wirkte in meinen Augen [...] so pseudo-tiefsinnig." Egal, ob man nun den Lynch raushängen lassen will oder nicht: es ist doch wichtig, eine Geschichte zu erzählen, die fesseln kann (was bei mir nicht gelang), und nicht eine, die einfach nur verwirrend dargestellt wird, damit man sich in (pseudo)-intellektuelle Höhen versteigen muss, um die "richtige" Interpretation zu finden.
2. WER (Figuren)
Die Hauptfigur ist – eigentlich – gut gespielt. "Eigentlich" deshalb, weil es für einen Laiendarsteller auch wesentlich leichter ist, wenn er ohne Dialog auskommen darf. Außerdem konnte sich die Schauspielführung auf eine einzige Figur konzentrieren, es gab ja nur eine "echte" Figur, der Rest war mehr oder weniger Staffage; was bedeutet, dass man weder andere Figuren erarbeiten noch mehrere miteinander koordinieren musste. Also alles Punkte, die eine Leistung leicht steigern oder als besser darstellen können, aber nicht wirklich mit anderen Filmemacher-Situationen vergleichbar ist.
Das Davonrennen auf der Straße sah allerdings etwas seltsam aus. Ob das gewollt war oder an einer glatten Straße lag, ist schwer auszumachen. Insgesamt aber darstellerisch eine solide Leistung.
3. WIE (film-/erzähltechnische Bauformen)
Licht
Auch wenn es sehr schön beleuchtete Einstellungen gibt, ist es gerade in Verbindung mit der Farbkorrektur streckenweise sehr mühselig, den Film zu schauen. Viele Szenen sind zu flach oder zu dunkel oder reißen zu stark auf. Gegen Ende (nachdem der Rollstuhlfahrer tot am Boden liegt) steht ein Scheinwerfer im Bild (am Boden unter der Treppe), was ich als groben handwerklichen Schnitzer empfinde. Man sieht aber, dass ihr euch in dem Bereich sehr große Mühe gemacht habt.
Kamera
Einer der Schwachpunkte des Films. Belichtungsautomatik an, Kadrage ab und zu selbst für "außergewöhnliche" Einstellungen zu ungewöhnlich. Handkamera in nahen Einstellungen sehr anstrengend, Zooms mit Handkamera brachten es auf die Spitze. Viele extreme Kamerapositionen ohne Aussagekraft, was sie dann, wenn sie welche haben, überstrapaziert. Was schade ist, denn ich finde es immer toll, wenn man den Mut hat, extreme Kameraperspektiven zu wählen. Allerdings sollten diese die Szene unterstützen und nicht aus dem Fluss reißen. Die wenigen (Halb-)Totalen, die der Film hat, wirken dagegen sehr erfrischend.
Schnitt
Die Laufwegs-/Auto-/Schlüsseleinstellungen zu Beginn sind oft überflüssig und bringen die Story nicht wirklich voran. Der Gang mit Tüte (Beginn der Verfolgung) ist sehr komisch geschnitten, da die Reihenfolge der Einstellungsgrößen nicht mit der intendierten Wirkung übereinstimmt. Hier merkt man, dass entweder nur Verwirrung um der Verwirrung willen erzeugt werden sollte oder der Editor selbst verwirrt und sich nicht im Klaren war, was er wollte.
Ton & Musik
Da der Ton selbst im Verhältnis zur Musik doch sehr untergeordnet wurde, frage ich mich, warum du hier im Forum mehrfach Wert darauf gelegt, dass ihr mit dem NTG-2 gedreht habt und dass du davon begeistert bist. Hier hätte man mehr erwarten können. Die "Schock-Bangs" waren zu flach, um schocken zu können. Die Mystery-Musik sollte vieles retten, und ist in sich sicherlich auch gut gelungen, schafft diese Aufgabe aber leider nicht ganz. Dennoch ist sie die eigentliche Kraft hinter der Handlung und Spannungsträger.
Farbkorrektur
Die starken Kontraste und das extreme Schwarz-Weiß können natürlich als Stilmittel ausgelegt werden. Dennoch wirkt es auf mich, als ob hier Farbkorrektur zum einen um ihrer selbst willen gemacht wurde, zum anderen um vieles zu vereinfachen. Der Look kann den Film in meinen Augen leider nicht unterstützen und funktioniert nur sehr widerwillig.
Credits
Die "Gags" im Abspann passen so gar nicht zum Hauptfilm, der ja nach eigener Aussage sehr erwachsen wirken soll. Außerdem wäre mir aufgefallen, dass im Thread kein Regisseur genannt wird. Ein Versehen oder stehst du nicht hinter deinem Werk?
Produktion und Regie
Das Projekt wirkt gut durchdacht und individuell, auch wenn keine großen Herausforderungen in puncto Produktion dahinter steckten. Man kann sicherlich sagen, dass da eine solide Leistung abgeliefert wurde, aber noch "Luft nach oben" ist, zumal eine Vielzahl von Aufgaben durch die Art des Projekts hier (noch) relativ einfach waren.
4. WOZU (Message)
Grundsätzlich halte ich es für schwierig, sich mit Filmen auseinanderzusetzen, die bzw. deren Handlungen schon im Vorfeld durch ihre "breite Interpretationsmöglichkeit" entschuldigt werden. Wer einen Film produziert, der genau darauf abzielt, muss doch auch solche Filme mit noch mehr Konsequenz für sich selbst sprechen lassen als alle anderen. Vor diesem Hintergrund – und da ich schon genügend "Was will der Autor damit sagen"-Sessions hinter mir habe – erspare ich mir einfach eine inhaltliche Interpretation – auch wenn ich hier eine klassische Analyse-Vierteilung vorgenommen habe.
Fazit:
"It's kind of... you know... interesting..." würde der höfliche Amerikaner sagen. Es hat mir gefallen, dass versucht wurde, einen eigenen Stil zu entwickeln – was aber nicht ausreichte, damit der Film mich fesseln konnte; weder in inhaltlicher noch formaler Hinsicht. Zum Produktionstechnischen wäre zu sagen, dass das ganze wohl an zwei Drehtagen abgedreht wurde und ein großer Preproduction-Aufwand nicht ersichtlich war. Was es bei der Postpro alles für Anforderungen, Ansprüche, Probleme gab, sei dahingestellt, da will ich mir kein Urteil anmaßen. Aber unterm Strich ändert das aber nichts an der Ansicht, dass dieses Projekt für mich ehrlich gesagt kein Film fürs "Große Kino" ist, obwohl eine solide Leistung mir Potential abgeliefert wurde.
Insgesamt wirkt die Kritik vielleicht hart, aber vor dem Anspruch, den du (vermutlich) an dich selbst und (wie bisher gezeigt) an andere hast, ist dir damit mehr gedient, als wenn ich nichts schreiben würde.