Hab mich zwar schon in verschiedenen Threads dazu geäußert, aber da Fragen zu Drehgenehmigungen immer wieder auftauchen (Suchfunktion => 54 Treffer, Stand 19.01.09), stelle ich einen meiner Artikel auf Anraten von Marcus jetzt mal hier im Tutorial-Bereich ein, in der Hoffnung, damit eine etwas zentralere Anlaufstelle für Fragen anzubieten... Auf schon besprochene sehr spezielle Drehorte (Flughafen) oder Situationen (SWAT-Reenactment) wird hier nicht eingegangen, wird aber falls gewünscht – in Absprache mit den jeweiligen Autoren – hier ergänzt.
Der Artikel soll MichaMedias geplante FAQ-Liste nicht ersetzen, sondern eher als Anreiz dienen, Fragen zu sammeln und zu katalogisieren...
(EDIT 11.05.: Ich habe mit dem FAQ-Projekt nichts zu tun und weiß daher auch nicht, ob es jemals realisiert wird. Daher: wer hier Fragen stellen möchte, fragt ruhig...)
=====
Drehgenehmigungen?
Da in vielen Amateurfilmer-Foren immer wieder die Frage nach der Drehgenehmigung auftaucht, versuche ich mich hier mal an einer Zusammenfassung der wichtigsten Fakten in Form eines Artikels.
Einleitung
Irgendwann kann es langweilig sein, im Garten hier dem elterlichen Haus zu drehen. Man will hinaus in die weite Welt, neue spannende Motive suchen uns sie in sein Werk einbauen. Doch schon bald stellt sich die Fragen: Wo darf ich denn was überhaupt abfilmen? Brauche ich dafür eine Genehmigung? Und was kostet der Spaß? Interessant ist für viele hauptsächlich das Filmen im öffentlichen Bereich. Da die Situation für jedes Amateurfilmteam in jeder Stadt anders sein dürfte, ist dieser Artikel nur als allgemeine Übersicht gedacht. Das Recht an eigenen Bild ist m.E. ein eigenes Thema und wird in diesem Artikel nicht behandelt.
Definition
"Eine Drehgenehmigung ist die Erlaubnis des Eigentümers eines Motivs, dieses für das Drehen einer Film- oder Fernsehaufnahme zu verwenden. Das Erteilen einer Drehgenehmigung kann mit einer Gebühr verbunden sein.
Zum Erteilungsverfahren gehört unter anderem die Absprache über alle Abläufe am Set, da häufig weitere Voraussetzungen geschaffen werden müssen, die den Eigentümer des Motivs einschränken können. Hierzu gehört etwa das Absperren von Verkehrsflächen und Parkplätzen, das Verlegen von Kabeln und Schläuchen, der Betrieb lauter Geräte und Maschinen oder Dreharbeiten zu Nachtstunden.
Die Drehgenehmigung schützt, im Rahmen der Vereinbarungen, das Filmteam vor Anzeigen und Störungen." (1)
Wichtig ist besonders der letzte Satz:
Die Genehmigung ist zum Schutz des Filmteams. Das wird leider oft nicht erkannt. Drehgenehmigungen fallen unter das Polizei- und Ordnungsrecht. Eine allgemeine Drehgenehmigung beinhaltet erst mal noch NICHT Ausnahmegenehmigungen und Sondernutzungserlaubnisse, Genehmigungen für Nacht- und Feiertagsdreh, Kindergenehmigungen oder ähnliches, auch nicht besondere Bildrechte. Zuständig für das Einholen der Genehmigungen ist normalerweise der Aufnahmeleiter (1. Aufnahmeleiter, Motivaufnahmeleiter), falls vorhanden
. Zunächst wird die allgemeine Drehgenehmigung also nur als Genehmigung zur Verwendung eines Motives verstanden.
Das Motiv
Zunächst wird beim Motiv unterschieden zwischen drei Arten räumlicher Nutzung, d.h. öffentlichem Raum, halböffentlichem Raum und privatem Raum.
"Mit öffentlichem Raum wird der ebenerdige Teil einer Gemeindefläche, oder einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verstanden, der der Öffentlichkeit frei zugänglich ist und von der Gemeinde bewirtschaftet und unterhalten wird. Im Allgemeinen fallen hierunter öffentliche Verkehrsflächen für Fußgänger, Fahrrad- und Kraftfahrzeugverkehr, aber auch Parkanlagen und Platzanlagen. Der Begriff findet überwiegend Anwendung in der Stadtplanung und Verkehrsplanung. Der öffentliche Raum steht dem privaten Raum gegenüber. Öffentliche Gebäude stellen eine andere Form öffentlicher Einrichtungen dar." (2)
Halböffentlicher Raum ist zwar privates Eigentum, wendet sich in seiner Funktion aber an die Öffentlichkeit (Kaufhäuser, Kneipen, Treppenhäuser in Mehrfamilienhäusern, Verkehrsmittel...)
Dadurch ergeben sich unterschiedliche Zuständigkeiten. Bei privaten und halböffentlichen Raum der jeweilige Eigentümer, für öffentlichen Raum die örtliche, zuständige Verwaltungsbehörde. Oft spielen bei privaten (nicht nur militärischen) Anlagen auch Sicherheitsaspekte eine Rolle, so dass man z.B. nicht ohne weiteres von einem Firmengelände aus filmen darf, auch wenn es offen begehbar ist.
Öffentliche Gebäude / Öffentlicher Raum
"Für die Benutzung öffentlicher Verkehrsflächen für Film- und Fernsehaufnahmen bedarf es einer Erlaubnis. Der Umfang Ihrer Dreharbeiten und die damit verbundenen Auswirkungen auf den Verkehr sind maßgeblich dafür verantwortlich, wie hoch der Bearbeitungsaufwand ist und welchen zeitlichen Vorlauf die Genehmigungsbehörde benötigt." (5)
Grundsätzlich braucht man auch für alle öffentlichen Gebäude, wenn innen gefilmt werden soll, eine Drehgenehmigung, ebenso für alle "öffentlichen Plätze". Wer für die Erteilung der D. in öffentlichem Raum zuständig ist, unterscheidet sich je nach Größe der Stadt. Prinzipiell eignet sich das Ordnungsamt gut als zentrale Anlaufstelle, da sie auf etwaige zusätzlich einzuschaltende Behörden wie Verkehrsamt, Umweltamt, gesonderte Verwaltungsapparate (z.B. Schule), Polizei, Feuerwehr verweist.
Bei Szenen, die Mitbürger dazu bewegen könnten, die Polizei zu rufen, ist es – egal ob in öffentlichem oder privatem Raum – immer eine gute Idee, die Ordnungshüter vorher selber zu informieren. Egal ob von der Drehgenehmigung vorgeschrieben oder nicht.
Nutzung des Verkehrsraumes
Zur Nutzung bzw. Änderung des Verkehrsraumes (vom Parken bis zum Absperren) sind Ausnahmegenehmigungen und Sondernutzungserlaubnisse notwendig, die in der erteilten Drehgenehmigung aufgelistet sind.
Panoramafreiheit
"Unter Panoramafreiheit (oder auch Straßenbildfreiheit) versteht man die Freiheit, urheberrechtlich geschützte Gegenstände (z. B. Kunstobjekte oder Gebäude), die von öffentlichen Verkehrswegen aus auf Privatgrundstücken zu sehen sind, bildlich wiedergeben zu dürfen. Dies betrifft sowohl das bloße Anfertigen etwa einer Fotografie als auch ihre Veröffentlichung.... Zulässig ist, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Grafik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben. Bei Bauwerken erstrecken sich diese Befugnisse nur auf die äußere Ansicht.“ (4)
Tolerierung von "Spontanfilmern" oder "Hobbyfilmern"
"Von einer Erlaubnis kann abgesehen werden, wenn die Film- und Dreharbeiten lediglich mit einer Handkamera oder Kamera auf einem Stativ durchgeführt werden und keinerlei Behinderungen oder Störungen (Absperrungen, Aufbauten, Aufstellen von Requisiten, Durchgangsverboten oder Sondereffekten) verursachen." (5)
Muss aber nicht. Wenn man also ohne Riesen-Equipment und -Crew anrückt, kann man unter Umständen auch so drehen.
======
Edit (Danke, Joey23):
Wenn man ohne Drehgenehmigung an Orten filmt an denen man eine gebraucht hätte, riskiert man ein Nachträgliches Verbot die Aufnahmen zu veröffentlichen. Das gilt auch, wenn man nur mit einer Handkamera gedreht hat. Gerade dann kann der Eigentümer ja nicht wissen, dass es sich nicht um Privataufnahmen handelt.
======
Waffen, Feuer, Stunts, Autoszenen...
Dreharbeiten mit "echt aussehenden" Waffen, (d.h. sogenannten Anscheinswaffen) außerhalb von befriedetem Besitztum müssen genehmigt werden.
Aktionen, die eventuell die Sicherheit von Sachen oder Personen gefährden könnten, müssen extra genehmigt werden (z.B. Pyrotechnik).
Das vor Ort sein von Polizei, Ambulanz und Feuerwehr kann vorgeschrieben werden.
Nachbarn, Nacht- und Feiertagsdrehs
Speziell bei das "Umfeld möglicherweise störenden" Dreharbeiten kann die Drehgenehmigung auch die Verpflichtung enthalten, dass die Anwohner einige Tage vor den Dreharbeiten zu verständigen sind.
Kosten
Kosten können entfallen oder fünfstellig sein, abhängig von der Größe des Projekts, der Szene, der Location...
Shortlist für "öffentliche" Dreharbeiten
1. allgemeine Drehgenehmigung durch Ordnungsamt ist meistens notwendig und IMMER sinnvoll
2. weitere Genehmigungen durch Grünflächenamt, Tiefbauamt, Umweltamt, Polizei, Feuerwehr... (falls nötig)
3. Anwohnerinfos (nicht immer nötig, aber immer sinnvoll)
4. vor Drehbeginn Polizei, Ambulanz und Feuerwehr kontaktieren bzw. vor Ort koordinieren (falls nötig)
Verwandte Themen
Fotografieren und Filmen in öffentlichen Verkehrsmitteln
Copyright-Regelungen /Persönlichkeitsrechte u.ä.
Und ein praktisches Beispiel zum Schluss:
Eine 10seitige Drehgenehmigung für ein Filmprojekt von Schülern in Berlin
Linkliste (Stand: 27.06.08)
(1) Wikipedia: Drehgenehmigung
(2) Wikipedia: Öffentlicher Raum
(3) filmtutorial.de: Berufe beim Film – Erster Aufnahmeleiter/Motivaufnahmeleiter
(4) Wikipedia.org: Panoramafreiheit
(5) film.region-stuttgart.de: Hinweise zu Film- und Drehgenehmigungen.pdf
http://forum.regie.de/viewtopic.php?t=13872
http://www.stuttgart.de/sde/menu/frame/t…m/gen/15433.htm
http://www.stadt-koeln.de/bol/freierhimm…1396/index.html
http://www.bbfc.de/
Das war der Versuch einer Zusammenfassung. Sollten wichtige Teilaspekte fehlen, meldet euch bitte bei mir, damit diese ergänzt werden können.
Der Originalartikel wurde am 17.06.2008 für das Amateurfilm-Magazin verfasst.
=====
Ergänzung:
Es vereinfacht vieles, wenn man einen festen Ansprechpartner innerhalb des Teams für solche Dinge festlegt, an den sich Polizei, Anwohner, aber z.B. auch verspätete Statisten, Gaffer
und andere Außenstehende wenden können...
Ebenso eine Kenntlichmachung des Drehortes als Filmset. Klar kann man immer sagen "Da steht doch ne Kamera, das muss man doch sehen", aber eine vernünftige Ausweisung der Location z.B. durch Beschilderung wirkt Wunder.
Dazu hier noch eine Anekdote aus Zeiten (2003), in denen wir auch noch nicht darauf geachtet haben:
Wir haben mal an einer Eisenbahnbrücke an einer Hauptverkehrsstraße eine kopflose Schaufensterpuppe aufgehängt. Drehgenehmigung war vorhanden, Polizei war vor Ort, und innerhalb der Szene zusätzlich ein TV-Nachrichtenteam und die Feuerwehr, um die "Leiche" herunterzuholen. Vollsperrung war nicht nötig, sondern nur die Teilsperrung auf einem Fahrstreifen. Was wir nicht bedacht hatten war, dass die DINA4-Schildchen, die wir auf den Gehwegen aufgestellt hatten, nicht von den vorbeifahrenden Autos wahrgenommen wurden, dass das Set schön ausgeleuchtet war, und dass der Mensch im allgemeinen dazu tendiert, vor lauter Sensationen Dinge wie Kameramänner zu übersehen. Was soll ich sagen: Am nächsten Tag war der Mord Stadtgespräch, am übernächsten wir als Filmemacher. War zwar ne gute PR, aber wir haben uns dann doch entschieden, dass sich jemand finden sollte, der sich auch um solche Dinge vor den Drehs Gedanken macht...