Sehr interessantes Thema und spannende Beiträge. Ich konnte mich in vielen Erfahrungsberichten wiederfinden und habe sie gern gelesen.
Ich behaupte einfach mal ganz dreist wie ein Vorgänger, ebenfalls sehr naiv, neugierig, mit einer Heidenmotivation und einer Engelsgeduld ausgestattet an meinen ersten Sets gewesen zu sein. Allerdings kann einem die Branche einem schon zusetzen und ich weiß, dass man schnell bitter werden kann, wenn man an die falschen Leute gerät.
Natürlich ist das nicht förderlich, man sollte immer versuchen Neugier und Gutglauben an Team und Branche zu behalten, auch wenn es manchmal wie ein Kampf gegen Windmühlen erscheint. Es gibt tolle Filmsets und tolle Projekte, die einem Kraft geben und für die es sich lohnt.
Soweit ich das aus den bisherigen Posts heraushören konnte, gibt es auch den ein oder anderen, der ein festes Ensemble auf Vertrauensbasis bereits gefunden hat. Das ist optimal, bewahrt euch diesen Schatz! Ein eigenes festes Team mit den gleichen Vorlieben, Kreativität, evtl. dem nötigen Kleingeld und einer guten Organisation klingt wie eine Utopie, ist aber machbar. Vertraut nicht auf die altersschwache TV-Landschaft und greise Redakteure von Vorgestern! Die machen doch eh nicht, was wir sehen wollen. Die wirklich tollen Serien kommen nicht im Free TV. Gründet eure eigenen kleinen Produktionsfirmen! Je bunter das Internet, desto besser wird die Zukunft des "Fernsehens".
Ich denke, dass die Ursachen für Spannung am Set so vielseitig und unterschiedlich sein können, dass man sie kaum zusammenfassen kann. Hier ein paar überzeichnete (!) Erfahrungsberichte von mir:
- Divenallüren. Wenn das eigene Ego größer wird als der Wunsch nach dem bestmöglichen Endergebnis, z.B. möchte Laiendarsteller XY möglichst lange im Bild zu sehen sein, obwohl das für die Szene ebensoviel taugt wie nasses Brennholz. Oder der "preisgekrönte" Kameramann XY, der immer eine Stunde später ans Set kommt, denn es handelt sich ja "nur" um einen Studentenfilm, dabei hat er bei der Berlinale ja mal Tickets abgerissen. Das lässt den Tag schon einmal blöd beginnen.
- Ein Mangel an Vertrauen den anderen Teammitgliedern gegenüber ist sicher auch eine häufige Ursache. Regisseur XY möchte lieber die bildschärfste Szene im Schnitt haben, dabei ist die Verwackelte einfach besser, meint nicht nur der Cutter. Regisseur XY übergeht das. Er ist schließlich Regisseur.
- Unterschiedliche Geschmäcker. Manchmal kann man das bei der Teamgründung auch noch nicht riechen und plötzlich stellt sich heraus, dass der Produzent/Regisseur ein Sozialdrama aus dem geschriebenen Komödiendrehbuch machen möchte.
- Der Mangel an Feingefühl. Grobmotorische Regisseure ohne jegliche Lebenserfahrung sollten ausgebildeten Schauspielern (und allen anderen Teammitgliedern) einfach nichts erzählen dürfen. Noch schlimmer: der Techniker. Für Anweisungen wie "Stell dich in's Licht, geh drei Schritte nach vorn und guck möglichst traurig nach links" hat kein Schauspieler eine Ausbildung gemacht.
- Zeitdruck. Natürlich verbunden mit Geldnot. Kann sich positiv auf die Kreativität aller Beteiligten auswirken, aber auch zu einer Belastung werden.
- Verantwortungsträger, die keine Verantwortug tragen wollen. Hippie-Regisseure à la "Mach das wie du meinst" können ebenso anregend wie orientierungslos wirken. Das hängt vom jeweiligen Team ab.
- Das Gegenteil. Militante Regisseure à la "Fürs Denken wirst du nicht bezahlt". Das zerstört nicht nur die Stimmung am Set, sondern auch die Stimmung im Film.
- Unmenschlichkeit. Ein Filmset kann ebenso schön wie stressig sein und der meiste Druck lastet auf den Organisatoren, vor allem wenn Geld im Spiel ist. Nicht alle Alphatiere sind Feinde und anstatt gegen jede kleine Änderung im Drehplan zu protestieren, könnte man auch mal eine Minute in sich gehen und überlegen ob und wie sich die Änderung integrieren lässt ohne dem fertigen Produkt zu schaden.
Das klingt natürlich schon alles sehr schwarzmalerisch, aber es ist ja auch so, dass ein Film eine emotionale Angelegenheit ist.
Eine Dozentin sagte mir einmal etwas, über das ich mich erst tierisch aufgeregt habe, aber im Nachhinein (zwei Jahre später) für mich persönlich für richtig befunden habe. "Alle Beteiligten an einem Filmset machen sich angreifbar und verletzlich, wenn es sich um eine Produktion von Bedeutung handelt. Ist das nicht der Fall und hat man Angst an die eigenen Blindspots zu gehen "sollte man Werbung machen oder es sein lassen". Beim Film geht es darum den bestmöglichen Mittelweg zu finden."
Mit dieser Verletzlichkeit gilt es umzugehen und mit der daraus resultierenden Kraft. Das ist nicht nur Aufgabe des Regisseurs, sondern aller Beteiligter.