Moin Leute,
da mir gerade langweilig ist und ich auf der Arbeit nichts zu tun habe, dachte ich mir mal ein kleines Tutorial zu schreiben.
Ich habe vor kurzem mit jemanden (ich glaube es war Neo hier vom Board) via ICQ über diesen Kameraeffekt gechattet, wie man ihn zum Beispiel aus James Ryan sowie einigen anderen Filmen kennt, bei dem das Bild scheinbar ruckelt und dem Geschehen dadurch ein sehr abstraktes Bild verleiht.
Bei Soldat James Ryan ist es gerade am Anfang gut zu beobachten, wenn die Granaten in der Nähe von Tom Hanks einschlagen und er für einen Moment sehr benommen ist und nahezu unter Schock steht. Der Ton ist fast weg und die Optik ändert sich entsprechend.
Ich hab darauf hin mal kurz unter Google gesucht und bin auf Anhieb fündig geworden, wie man diesen "Ruckel"-Effekt in etwa nachahmen kann.
Wichtig dafür ist, dass Eure Kamera die Option besitzt den "Shutter Speed" manuell einzustellen. Shutter Speed ist die Verschlusszeit der Optik, welche kontrolliert wie lange ein einzelnes Bild belichtet wird. Im Zeitalter der digitalen Kameras ist das natürlich etwas anders, aber das Prinzip ist das gleiche.
Wenn man nun an der Kamera den Shutter Speed enorm schneller einstellt als er standardmäßig ist (als Beispiel:meine Panasonic MiniDV schafft Shutterspeed Einstellungen von 1/50 bis 1/8000), hat dies zur Folge, dass selbst die schnellsten Bewegungen von der Kamera glasklar aufgezeichnet werden ohne jegliche Bewegungsunschärfe. Dies ist einer der wirklich wichtigen Punkte an diesem Effekt. Ein Nachteil an dieser Art des Filmens ist allerdings die Tatsache, dass die Kamera bei hohem Shutter Speed auch entsprechend mehr Licht benötigt. Aufnahme beim Raumbeleuchtung kann man vergessen. Es eignet sich also vor allem für Aussenaufnahmen bei Tag.
Jetzt wo man also die Kamera entsprechend umgestellt hat, kann man die entsprechenden Szenen filmen, das hier eine Stativaufnahme kaum Sinn macht, dürfte klar sein. Man will ja gerade eine unruhige, nahezu beklemmende Atmosphäre mit dieser Optik erzeugen.
Nachdem die Szene abgefilmt worden ist, muss die Szene auf den Computer gebracht werden. Ich empfehle, das Material mit Interlacing auf den PC zu überspielen (also beispielsweise in Premiere nicht absichtlich das Interlacing deaktivieren, Premiere führt dann die Halbbilder wieder selbst zusammen und erzeugt dadurch bereits wieder eine gewisse Bewegungsunschärfe, welche hier nicht erwünscht ist).
Das nun auf den PC übertragende Material kann man jetzt in After Effects laden. Im Projektfenster Rechtsklick auf das Video und dann die Option wählen, mit der man manuell bestimmen kann, wie After Effects die Halbbilder behandeln soll ("Footage interpretieren" heißt die Option, wenn ich mich recht entsinne).
Hier sollte man dann einstellen das AE nur das obere oder untere Feld benutzen soll, damit wir auch hier nicht die Halbbilder zusammenführen sondern nur mit einem scharfen Bild arbeiten.
Nun kann das Video in die Timeline gezogen werden. Als nächstes muss es beschleunigt werden. Eine Geschwindigkeit von 200-300% sollte für einen ersten Test genau richtig sein. Jetzt dieses beschleunigte Video noch mit verlustfreien Einstellungen rendern und als neues Video speichern. Anschließend auch dieses neue Video in das AE Projekt laden.
Warum beschleunigen?
Wenn man ein Video schneller abspielt, passiert nichts anderes als das die Software jeden x-ten Frame löscht, um die Bilder-pro-Sekunde Einstellung aufrecht zu erhalten, das Video aber zu verkürzen.
Unser neues Video hat also nun weniger Frames als das Originalvideo. Man kann jetzt entweder das Original aus der Timeline löschen oder einfach eine zweite Komposition erstellen und mit dieser weiterarbeiten.
In der zweiten Komposition ziehen wir nun das neu gerenderte Video in die Timeline. Haben wir es im letzten Schritt auf 200% beschleunigt, ist es jetzt nur noch halb so lang wie das Original. In diesem Beispiel müssen wir es also auf halbe Geschwindigkeit (50%) verlangsamen, um die urspüngliche Dauer der Aufnahme wiederherzustellen. Ist dies geschehen, haben wir ein Video welches die gleiche Länge hat wie das Original, jedoch weniger Frames, ergo es ruckelt. Mit den Einstellungen muss man ein wenig experimentieren, um den Effekt nicht zu übertreiben, jedoch für den Zuschauer offensichtlich zu machen.
Was jetzt noch bleibt, ist die Manipulation der Optik des Videos ansich, entsprechend dem, was ihr in Eurem Film haben wollt. James Ryan zum Beispiel zielte auf ein beinahe Schwarz/Weiß-Bild mit übertriebenen Kontrasten ab. Dies ergibt einen sehr harten und rauhen Look für Eurer Video. In Gladiator beispielsweise gab es in einigen Kampfszenen einen ähnlichen Effekt. In der Anfangsschlacht gegen die Germanen war auch hier eine solche Ruckeloptik zu sehen und die Farben waren teilweise arg ausgebleicht mit starken Kontrasten. In späteren Szenen im Colosseum hingegen, war das Bild weitestgehend farbintensiv und es ging mehr um die Ruckeloptik.
Hier ist also sehr viel Platz für Fantasie und es hängt auch von der Handlung in Eurem Film ab, wo sich so etwas einsetzen lässt.
Nehmen wir als Beispiel eine Hetzjagd bei Regen. Die Kamera folgt dem Gejagten knapp über dem Boden, Dreck und Wasser wirbelt auf, als er mit eiligen Schritten versucht zu entkommen. Wendet man hier nun diesen Effekt an, dürfte man im günstigsten Fall jeden einzelnen Tropfen Wasser, jeden kleinen Klumpen Dreck oder Schlamm sehen können. In einer solchen Szene macht es bestimmt viel her, mit sehr subtilen Farben, einer nahezu monochromen Optik zu arbeiten und die Kontraste fast schon ins Extrem zu übertreiben, um dieser ohnehin schon Nerven aufreibenden Szene noch die entsprechend gemeine Optik zu verleihen.
Ich hoffe, ich konnte Euch auf ein paar kreative Ideen stoßen und das der eine oder andere hier evtl. in einem zukünftigen Projekt die Gelegenheit hat, diesen Effekt erfolgreich einzusetzen.
Wer noch Ergänzungen oder zusätzliche Ideen zu diesem Effekt hat, posten!
Gruß,
HetH