Teil 2
Das Feature, das sich als Kurzfilm tarnt
Im Publikum kann man oft sehen, daß die Filme, die am besten ankommen, die
kürzeren sind. Man könnte argumentieren, daß die Filme eben alle Mist sind und
kürzerer Mist ist besser als längerer Mist! Es könnte aber auch sein, daß das
Publikum schon in einigen Kurzfilmen gesessen hat und es zu schätzen weiß,
wenns zügig zur Sache geht. Im erzählerischen Kurzfilm ist jeder Moment
kostbar. Es ist zu deinem Vorteil, wenn du deinen Film kürzer und interessanter
und knapper machst und eben so gut durchdenkst, wie nur möglich.
Frag dich beim schreiben (und schneiden): Ist diese Szene notwendig? Ist dieser
Moment wichtig? Was macht das mit dem Zuschauer? Man nennt das
„Szene-rein-Szene-raus“-Prinizip (in Deutschland eher:
„Spät-rein-früh-raus-Prinzip“, sieht man bei Soaps sehr schön, was gemeint
ist). Mach rein, was rein muß und dann nix wie weg. Länger ist nicht
notwendigerweise besser. Weniger ist mehr.
„Schau mal, ich bin Regisseur“-Einstellungen
Nehmen wir z.B. die „Fischkugel-im-Vordergrund“-Einstellung, die
„überkopf-ohne-Grund-nur-weil-wir-auf-einer-Bühne-sind“-Einstellung oder die
„was-für-en-cooler-verkantete-Kamera“-Einstellung und nicht zu vergessen die
geschmackloseste Idee überhaupt, die „Kühlschrank-von-innen“-Einstellung, auch
„Stell-die-Kamera-in-den-Briefkasten/Mülleimer/Motorraum“-Einstellung. Sei
gewarnt, das ist meistens totaler Käse.
Laaaangsame Dialoge
Ein Filmdozent sagte mal, eine Sekunde „Echtzeit“ entspricht drei Sekunden
„Filmzeit“. Muß man mal drüber nachdenken. Schaut mal, wie oft lange Pausen
zwischen den Dialogen in vielen Anfängerfilmen sind. Warum? Wenn man „normale“
Filme schaut, kommt einem der Dialog bisweilen superschnell vor. Liegt
vielleicht daran, daß man schneller hören kann, als Leute normalerweise
sprechen. Wer weiß? Aber nebenbei gesagt: Diese Pausen enthüllen auch schlechte
Dialogzeilen. Eine schlecht geschriebene Dialogzeile hängt in der Luft wie ein
Furz, wenn sie nicht schnell von einer flotten Zeile weggewischt wird wie eine
Frühlingsbrise...
Der „Ein-Witz-Film“
Ein guter Kurzfilm sollte eine Ansammlung von guten Ideen sein und nicht eine
einzige Idee ausgewalzt über zehn Minuten. Egal was du machst, versuch die Zeit
mit Sachen zu füllen, die andere Leute als dich selber interessieren könnten.
Keine Ahnung, wieviele Filme ich gesehen habe, die über das langweilige Leben
des Filmemachers selbst gehen. Bevor du loslegst, mach dir eine Liste von
„guten Ideen“ in deinem Drehbuch. Davon sollte eine Menge auf der Liste stehen.
Die „lauf-in-die-Kamera“-Überblende
Das ist wirklich dämlich. Ein Darsteller läuft IN die Kamera. Dann ins Schwarz
abblenden, dann läuft jemand AUS der Kamera raus.... was für eine tolle Idee,
das ist ja völlig ausgefallen, das hat man ja noch nie gesehen....
Der „schrullige-Faulpelz-mit-ner-Kanone“-Film
Du bist nicht Quentin Tarantino. Versuch nicht, es zu sein.
Exzessive Video-Effekte
Blenden nur sehr sparsam einsetzen. Sie sind nicht mit dem harten Schnitt
gleichzusetzen. Das gilt übrigens auch für Wischer oder sonstige Trickblenden.
Die 80er sind vorbei. Videoeffekte sind vorbei.
Die „dramatische Zigarette“
Eine Figur hat eine dramturgische Krise. Was macht er? Zündet sich eine an und
pafft dramatisch in die Luft, als wolle er sagen: „Schaut her, das ist so
ERNST, daß ich rauche!“ Ja, Leute rauchen, wenn sie nervös, aufgeregt oder
unter Druck sind. Aber das ist keine Entschuldigung für die lange und
langweilige Rauchszene, die aus Faulheit entstanden ist, weil dem Autor keine
originelle Weise eingefallen ist, die Szene aufzulösen.
Die „Suche nach der Wahrheit!“
Von diesem Thema gibt es einige Varianten:
1. Der verwirrte Wissenschaftler. Die „Geschichte“ handelt von einem
verwirrten, zurückgezogenem Wissenschaftler, der etwas tolles entdeckt (Suche
nach Gott, der freie Wille, Moral, u.ä. ). Das wird dann in
hochwissenschaftlichem aber aufgesetzt wirkendem Gelaber mit vielen, vielen
Worten erklärt. Solche Filme wirken herablassend und : Man sollte wenigstens
minimal recherchieren, bevor man sich lächerlich mit sowas macht.
2. Der „befreiende Film“
Schluß mit der Freundin? Bitte mach KEINEN Film darüber. Die Selbstbespiegelung
„warum sie mich verlassen hat“ die zu einer Hassrede über die Natur, die Liebe,
die Natur des Menschen usw. führt ist selten erhellend und üblicherweise so
interessant wie einem Freund zuzuhören, das sich über seine schlecht laufende
Beziehung auslässt. Kurz gesagt: Philosophische Exkurse über die menschliche
Existenz, die auf einer abstrakten Ebene behandelt werden, sind eine absolute
Garantie dafür, den Zuschauer zu langweilen oder zu verwirren.
„In-den-Spiegel“-Einstellungen
Nicht falsch verstehen, in einen Spiegel zu schießen kann ein toller Effekt zur
richtigen Zeit und aus den richtigen Gründen sein. Aber wie viele
dramaturgische Kniffe, die von Amateuren aus den falschen Gründen und zur
falschen Zeit verbraten wurden, ist auch diese Einstellung mittlerweile auf dem
„Lieber nicht“-Stapel gelandet.
„Boah! Super. Sie legt ihre rechte Hand auf den Spiegel und dann sehen wir
ihren Freund hinter ihr rufen und das alles in einer einzigen Einstellung! Ich
bin genial!“ .hcan lamhcon kneD. nieN.
NEU! Endlos lange Abspänne...
Jaja. Wir wissen, du mußt eine Menge Leute danken aber bitte bedenke die armen
Zuschauer, die sich z.B. auf einem Festival durch zehn Filme dieser Art sitzen
müssen. Ich habe Abspänne gesehen, die länger waren als der Film selbst...
Hier ein paar Tipps:
1. Titel schnell rollen lassen. Nein, noch schneller!
2. Kleine Schriftarten
3. Titelseiten sind schnell, aber nicht jedes Crewmitglied braucht ne eigene...
4. Muss jedem einzelnen aus dem Familienstammbaum gedankt werden?
Und hier noch ein Geheimtipp:
Mach zwei Versionen – einen kurzen für die armen unbeteiligten Zuschauer. Und
einen langen (eine Art „directors cut“), für alle die wundervollen Menschen,
die an dem Film mitgewirkt haben und denen du selbstverständlich eine Kopie aushändigst.
NEU! Szene 1: INNEN / TAG Protagonist wacht auf
Es ist nicht von vornherein falsch, wenn ein Film damit beginnt, wie der Wecker
klingelt, eine Hand auf den Wecker knallt, die Augenlider flattern, ein Gähnen
und „Oh du liebe Zeit, schon so spät?“ Aber..... warum denn schon wieder? Das
sehen wir andauernd. Oder liegt das daran, daß der Autor morgens aufwacht, sich
umsieht und sagt: „Hey! Das ist ja toll!“. Hmmnöööö, ist es nicht. Schlaf
weiter.
Warum sind nicht Zooms allgemein in dieser Liste?
In Filmschulen hört man häufig die ästhetische Anweisung: „Keine Zooms
benutzen!“ Das ist natürlich Schwachsinn. Zooms bergen einige Gefahren, aber
man kann sie schon einsetzen. Das kann cooler sein, als die in der Filmschule
je begreifen werden...