Auch wenn das nicht explizit so gesagt wurde, möchte ich dennoch darauf eingehen:
Ich störe mich an der Annahme, dass der Film bzw dessen Inhalt als "langweilig" eingestuft wird, weil er "keine action, kein abenteuer, keine explosionen" zeigt und "nicht schnell geschnitten" ist und ich mich demzufolge nicht auf eine ruhige Geschichte einlassen könne.
Als ob es nur zwei Extreme gäbe: Action oder Langatmigkeit, intellektueller Anspruch oder dumme Unterhaltung, echtes Leben oder Klischee, gut oder böse, Kunst oder Kommerz, politisch links oder rechts. Und als ob man entweder auf der einen Seite der Strasse oder der anderen sei.
Wo bleibt die Binnendifferenzierung? Wo die Menschen, die Herzog genauso schätzen wie Bay, die Brecht genauso lesen wie Rowling oder Brown?
Da möchte ich gerne Adorno zitieren: "Auf jede komplexe Frage gibt es eine einfache Antwort. Und die ist falsch."
Bei mir stiess der Film nicht auf wenig Interesse, weil er keine Explosionen hat und Arnold Schwarzenegger nie auftauchte und den Tag rettete. Auch nicht, weil er nicht schneller geschnitten war und mein aufmerksamkeitsdefizit-infiziertes Auge es nicht aushält, wenn mal eine Weile nichts passiert oder mich kleine Alltagsgeschichten nur interessieren, wenn es dabei um Leben und Tod geht oder Aliens vorkommen. Der Film hätte mir nicht besser gefallen, wäre die Frau nach dem ersten Kuss explodiert und die Navy Seals hätten in Slow Motion und Matrix Effekt das Haus gestürmt und den CGI Transformer verjagt, der sich als Stativ getarnt hatte. (obwohl ihm dabei vermutlich eine satirische Kompenente beigefügt würde, die mich amüsiert hätte).
Er stiess auf wenig Interesse, weil ich ihn nicht glaubte. Ich fühlte nicht mit den Figuren und ich nahm sie nicht als echt genug wahr, um mich für sie zu interessieren. Es mag sein, dass es Menschen gibt, die so miteinander umgehen und so miteinander sprechen und kurzerhand ihre Hemden wechseln und dann zusammen baden - aber sie sind mir noch nie begegnet. Sie sind "Ausserirdische", für mich. Konstrukte auf dem Papier (bzw hier: auf der Leinwand). Und zur Technik: Die gewählte Bildsprache unterstützte für mich die Geschichte, die Emotion nicht. Dass ich angestrengt hinhören musste, um zu verstehen, was überhaupt geredet wird, verhalf der Geschichte nicht zu mehr emotionaler Tiefe oder Glaubwürdigkeit, sondern störte lediglich den Übergang, in diese Welt abzutauchen. Dass da Filmequipment zu sehen war suggerierte keine tiefgründigere Analyse des Charakters, sondern lediglich etwas schlampige Arbeit beim Dreh. All dies führte dazu, dass ich nicht abtauchen konnte - und dazu bin ich immer gern bereit.
Mein Alltag sieht nicht so aus, wie das, was mir hier präsentiert wurde.
Film ist eine Kommunikation eines Filmemachers mit dem Publikum und hier wird eine etwas schludrige Sprache gesprochen, die ich nur sehr schwer verstehe und die mir durch nichts nahelegt, dass sie es wert wäre, den Aufwand zu betreiben, mich mit ihr auseinander zu setzen. Ein Autor quasi, der ein Buch schreibt, es danach zerreisst, in eine eiserne Truhe schliesst und auf dem Meeresgrund versenkt und dann erwartet, dass sich das Publikum die Zeit nimmt, es erst zu suchen, zu bergen, die Kiste zu öffnen und wieder zusammen zu kleben um es endlich zu lesen.
Vielleicht nicht selbstverschuldet - wenig Geld, alte Technik, vielleicht auch ein mangelndes technisches Wissen oder ästhetisches Verständnis - das kennen wir Autorenfilmer / Amateurfilmer ja alle, aber dennoch: Die Sprache ist nicht klar. Zumindest für mich und offenbar für viele andere auch.
Einmal mehr: Das soll nicht abwertend sein oder ausschliessen, dass es ein Publikum für sowas gibt (ein Publikum gibt es für alles irgendwo), lediglich eine Erklärung meinerseits sein. Ich masse mir auch nicht an, dies irgendwie als objektive Beurteilung verkaufen zu wollen. Das ist es nicht, es ist meine subjektive Wahrnehmung dieses Films, dieses Kommunikationsversuchs.
Vielleicht hätte ich das Ende der 80er Jahre anders gesehen - aber wir sind nun mal im Jahr 2011. Vielleicht sähe ich das anders, wäre ich 60 - aber ich bin 31. Ebenso habe ich den Film nicht in einem abgedunkelten Raum gesehen, sondern an einem Monitor innerhalb einer Webseite als kleines Fenster. All das sind ebenso Faktoren, die ich nicht mindern will.
Die Bemerkung wegen der Erotik sehe ich wie NO!R - Ist nackte Haut wirklich schlimmer als all die Toten und Verstümmelungen, die wir hier schon serviert bekommen haben? Erotik ist etwas natürliches und schönes. Und ich hatte nie den Eindruck, der Film sei diesbezüglich pornografisch. "Effekthascherisch" vielleicht schon, da Nacktheit gerne als Mittel eingesetzt wird, um Intimität zu schaffen. Vieles an einer Kommunikation ist "effekthascherisch", da man ja mit den gewählten Mitteln einen Effekt erhaschen möchte. Ausser man zieht konsequent durch, dass man gar nicht erst versucht, verstanden zu werden. Das ist jedermanns gutes Recht. Problematisch wird es dann für mich, wenn man nun aber den "Fehler" oder die "Ursache" für die Misslungene Kommunikation beim Publikum sucht.
mich muss ein Film unterhalten.
Mich muss er stimulieren. Etwas auslösen. Egal ob dies ein wohliges Gefühl der Unterhaltung, eine komplette Irritation, Angstzustände oder eine intellektuelle Auseinandersetzung mit einem Thema ist. Das schlimmste aber was ein Film tun kann, ist dahin zu plätschern, ohne irgendwas zu tun. Dann schalte ich ab und verwende meine Zeit produktiver. Manchmal liegt das am Film, manchmal an mir. Oftmals wohl ein beiden.
PS: Nun hab ich viel geschrieben. Von daher hat dein Film (in Kombinationen mit deiner und anderer ihrer Antworten) doch etwas ausgelöst. Etwas zumindest für mich interessantes. Ich hatte eine spannende Diskussion zu diesem Thema eben im Zug auf der Heimfahrt vom Museumsbesuch, als ich gefragt wurde, was ich denn da dauern im iPhone lese.