Sonderfall Spiegelreflexkamera
Viele videofähige Spiegelreflexkameras haben einen Mikrofonanschluss. Wirklich gut nutzbar ist dieser aber nicht. Vielen DSLRs fehlt die Möglichkeit den Tonpegel manuell aussteuern zu können komplett und auf die Automatik sollte man sich lieber nicht verlassen. Gerade bei DSLRs ist diese nicht besonders gut. Bleibt ein Darsteller für einige Sekunden stumm, erkennt die Kamera das niedrige Signal und dreht den Pegel hoch. Das verstärkt allerdings das Grundrauschen, was bei DSLRs durch recht billige Wandler ohnehin schon stärker ausfällt als bei den meisten Camcordern. Außerdem haben DSLRs grundsätzlich keine Möglichkeit den Ton mittels Kopfhörer schon während der Aufnahme abzuhören. Zubehörhersteller bieten hier zwar unterschiedliche Lösungswege, für den geforderten Preis lässt sich aber auch ein anständiger externer Audiorecorder anschaffen, der in jedem Fall eine bessere Aufnahmequaliät bietet.
Um mit einer DSLR zu einem sauberen Ton zu kommen, sollte man die Kosten für einen externen Audiorecorder also direkt bei DSLR-Kauf mit einplanen.
DSLR mit aufgesetztem Røde Videomic Pro. In den seltensten Fällen reicht diese Lösung aus.
Mit einem externen Recorder und einem Mikrofon über dem Kopf des Darstellers
lässt sich die Tonquallität deutlich steigern.
Klappe, und: BITTE! Der Drehablauf
Um zu sauberem Ton zu kommen, kümmern sich am besten 2 Personen (zumindest bei externer Aufnahme) am Set um dessen Aufzeichnung, die sonst keine weiteren Aufgaben haben. Die idealen Tonmänner (aus Kameramannsicht) sind unsichtbar, können fliegen, werfen keine Schatten und sprechen nicht. Tonmann 1 bedient die Angel, Tonmann 2 kümmert sich um die Aufzeichnung und Archivierung/Backup der Daten.
Hat der Kameramann sein Bild eingerichtet, hält der Tonmann 1 seine Angel von oben über die Darsteller. Er senkt die Angel nun langsam ab, bis der Kameramann das Zeichen gibt, dass das Mikrofon im Bild ist. Diese stelle merkt sich der Tonmann 1, und hebt das Mikrofon um ca 20cm wieder an, so dass das Mikrofon auch bei leichtem Wackeln der Kamera nicht ins Bild rutscht. Inzwischen bringt sich ein Assistent mit der Filmklappe in Position, so dass er von der Kamera gesehen und vom Ton gehört werden kann. Nun starten Kameramann und Tonmann 2 die Aufnahme und geben dies durch kurzes "Bild läuft", "Ton läuft" bekannt. Der Filmklappenassistent ließt nun die auf der Klappe vermerkte Szenennummer, Einstellungsnummer und Takenummer laut vor, schlägt dann die klappe und verschwindet aus dem Bild. Nun gibt der Regisseur das Zeichen für die Schauspieler mit der Szene zu beginnen. Ist es vor der Aufnahme nicht möglich die Klappe zu schlagen (zB weil die Kamera an einem Kran hängt und so die Klappe nicht ins Bild zu bringen wäre) kann die Klappe auch am Ende der Aufnahme geschlagen werden.
Absolut wichtig ist es, die Klappe wirklich für jeden Take neu zu beschriften, sowie Kamera und Tonrecoder nach jedem Take zu stoppen.
Lässt man die Geräte einfach weiterlaufen und startet den nächsten Versuch, hat ein Take keine eigene Nummer. Richtig kompliziert wird es, wenn nur Ton oder Kamera die Aufnahme gestoppt haben, das jeweils andere Gerät aber weiter gelaufen ist. Durch eine straffe Organisation erspart man sich in der Postproduktion viel Sucherei nach den richtigen Dateien.
Professionelle Filmklappe , beschriftet mit Szene, Einstellung und Take.
PS: Wird eine Szene komplett ohne Ton aufgezeichnet, notiert man auf der Klappe "MOS" für "Mit ohne Sound", oder richtiger "Motion only Shot". So erkennt man nachher im Schnitt, dass man nicht nach einer passenden Tonaufnahme suchen braucht. Viele Filmklappen haben "MOS" auch bereits als fertige markierung zum Einkreisen, Unterstreichen etc.
Die Sache mit dem Pegel
Jedes Aufnahmegerät stellt eine gewisse Dynamik zur Verfügung, in der sich die Lautstärke des eingehenden Signals bewegen darf. Nehmen wir der Einfachheit einen Bereich von 0-100 an. Ab 101 verzerrt das Signal bei der digitalen Aufzeichnung irreperabel. Nun gilt es also den Recorder so einzustellen, dass das lauteste Signal 100 nicht übersteigt, aber möglichst dicht an 100 heranreicht. Selbstverständlich kann man das Signal später im Schnitt verstärken. Allerdings hat jeder Recorder ein gewisses Eigenrauschen, das unabhängig vom eingestellten Pegel zB den Wert 5 hat. Stellen wir den Pegel des Recorders nun so ein, dass der lauteste Punkt der Aufnahme später bei 50 liegt, und verstärken nachher die Lautstärke im Schnitt auf das doppelte um möglichst dicht an die 100 zu kommen, verstärken wir damit auch das Rauschen auf das doppelte, also 10. Eine leichte Verstärkung im Schnitt ist meist problemlos, und auch ein geringes Rauschen lässt sich mit viel Mühe rausfiltern. Je genauer man aber hier schon bei der Aufnahme gearbeitet hat, desto leichter wird es aber anschließend.
Fast alle Aufnahmegeräte bieten eine Automatik zur Pegelsteuerung. Bei manchen Geräten funktioniert diese auch sehr gut. Allerdings kann sie eben immer nur auf das einkommende Signal reagieren, und ist nicht "intelligent". Plötzliche laute Geräusche wie ein Schuss liegen dann schnell über 100, und in leisen Momenten verstärkt die Automatik das Signal unnötig. Besser ist es, wenn Tonmann 2 bei einem Trockendurchgang der Szene den Pegel manuell so einstellt, dass der lauteste Moment einer Szene bei etwa -6db liegt. (Das 0-100-System diente nur der besseren Verständlichkeit, eigentlich wird Lautstärke an den Recordern logarithmisch eingestellt um einen großen Dynamikbereich mit linearer Verstellung abzudecken. Die Skala reicht von -59db bis 0db, wobei 0db am lautesten aufzeichnet. -59db entspricht einem stummgeschalteten Eingangssignal. Auch Schnittprogramme geben diese Werte an, und auch hier sollte der fertige Mix möglichst dicht an 0db reichen, aber auf keinen Fall drüber! Ideal sind auch hier -6db.)
Die Postproduktion
Zeichnet man den Ton des Mikrofons direkt in der Kamera auf, ist die Nachbearbeitung relativ simpel. Richtmikrofone sind in der Regel mono. Ob der Camcorder nun auf beide Stereokanäle das gleiche Monosignal des Mikrofons legt oder ein Kanal einfach stumm bleibt ist von Camcorder zu Camcorder unterschiedlich. Bleibt ein Kanal stumm, muss man diesen im Schnittprogramm wieder mit dem Ton des Richtmikrofons befüllen.
Hat man jeden Take sauber auf der Klappe beschriftet und deutlich angesagt, lassen sich nachher die Tondateien des Audiorecorders und die Filmdateien der Videokamera stressfrei zuordnen. Im Schnittprogramm müssen die Tonaufnahmen dann synchron zum Film unter den Schnitt gelegt werden. Manche Schnittprogramme bieten hierfür Automatisierungen. Aber auch per Hand ist das in der Regel schnell erledigt. Die sogenannte Waveform-Anzeige hilft hier weiter, wenn man das interne Mikrofon der Videokamera einfach mitlaufen lässt. Das Schlagen der Klappe ist als markanter Punkt schnell gefunden und der entsprechende Clip des Audiorecorders schnell an die richtige Stelle geschoben.
Waveform-Anzeige des Schnittprogramms Final Cut Pro. Je höher der Ausschlag, desto lauter das Signal.
Zum Schluss sei noch angemerkt, dass die beste Tonaufnahme wenig nützt, wenn man am Schnittplatz nicht in der Lage ist seine Aufnahmen vernünftig anzuhören. HiFi-Boxen sind hier nicht besonders gut geeignet. 15€-Supermarkt-PC-Lautsprecher erst recht nicht. Brauchbare, für Amateurfilmschnitt völlig ausreichende Monitorlautsprecher gibt es schon ab ca 100€. Eine Investition die sich lohnt!
Produktempfehlungen
Richtmikrofon:
Røde NTG2 (ca 180€, guter Klang, Preis-Leistung TOP!), alternativ das
T.Bone EM960 (ca 50€, klanglich deutlich schlechter, etwas blechern, aber trotzdem besser als das Kamerainterne Mirkofon). Dazu jeweils den Windschutz
Røde Deadcat (ca 30€, braucht man garantiert irgendwann! Wirklich!)
Angel:
K&M 23760 (ca 90€, leicht, ausreichend lang, stabil) und dazu am besten eine passende Spinne, zB
Røde SM3 (ca 40€). Eine einfache Klemme ist aber auch im Lieferumfang des Richtmikrofons.
Aufnahmegerät:
Geräte der "Zoom"-Reihe sind sehr beliebt. Klanglich sind die kleinen Kisten top, das
Zoom H4N verfügt über XLR, die
kleineren Geräte nur über Klinke. Preislich etwas günstiger ist zB der
Tascam Dr40 , der ebenfalls über XLR-Eingänge verfügt (die dank Firmwareupdate seit Anfang März 2012 auch endlich getrennt geregelt werden können!).
Kabel:
Bei
XLR-Kabeln sind Neutrik-Stecker wünschenswert. Rein funktional reichen aber
einfache XLR-Kabel in der nötigen Länge aus.
Hat die Kamera oder der Recorder nur einen 3,5-Klinke-Anschluss, das Mikrofon aber XLR, hilft dieses Kabel weiter:
Klick mich.
Nützliches Zubehör
- Kopfhörer, möglichst geschlossene Bauform, muss kein HiEnd sein, sollte aber an keinem Set fehlen (Mein Tipp:
Sennheiser HD25, der ist was fürs Leben!)
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Windschutz, hat man immer dann nicht, wenn man ihn dringend braucht. Einfach kaufen. Irgendwann kommt der Tag. Versprochen!
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Angel, im Grunde geht auch ein Selbstbau. Ist allerdings schwerer und meist auch kürzer.
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Spinne, wird an der Spitze der Angel befestigt. Das Mikrofon wird in der Spinne von Gummibändern gehalten, die gegen Griffgeräusche an der Angel isolieren.
- XLR-Kabel, Klinke-Kabel etc. Je nach Kamera.
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Filmklappe + Kreide/Stifte
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Weiterführende Links
Tonstudio für 300€:
http://www.spiegel.de/netzwelt/gadgets/0,1518,806339,00.html