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tevauloser

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Donnerstag, 20. Oktober 2016, 21:22

Nachsynchronisation Dialog

Sehe mich in der Situation, dass ich aus Qualitätsgründen alle Dialoge unseres neuen Kurzfilmes nachsynchronisieren muss. Eine Bearbeitung mittels Software konnte nicht befriedigen. Die Idee ist, die Akteure in einem selbsgebauten "Tonstudio" sprechen zu lassen, was wohl einen zwar klinisch sauberen, aber auch ziemlich trockenen Ton ergibt.
Und später wir eine passende Athmo dezent unterlegt. Sicher hat dazu jemand hier schon Erfahrungen und kann mir Tipps geben, was es zu beachten gibt.
Die Spots sind: Park, vor einer geöffneten Bäckerei, an Panorama Aussichtspunkt, an einem Bergsee und in einer Wohnung.
Vielen Dank für euere Inputs.

Selon Fischer

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2

Donnerstag, 20. Oktober 2016, 22:21

Meinen "Vogelfrauen" kennst du ja. Da ist die gesamte Szene im Salsa-Club nachsynchronisiert. Wir haben es da so gemacht, dass die Schauspieler zuerst den jeweiligen Satz gehört haben und ihn dann sofort danach aus dem Kopf wiederholt haben. Das hat überraschend gut funktioniert. Am Ende kam dann Original-Atmo vom Set drunter.
Synchronisation hört übrigens fast jedes Ohr. Überleg dir das also echt gut!

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tevauloser

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3

Donnerstag, 20. Oktober 2016, 22:30

Ja Selon, diese Szene hatte ich auch im Hinterkopf.
Schau dir mal dieses an, was ich einfach nicht für gut genug befinde:

Lierov

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Donnerstag, 20. Oktober 2016, 23:19

hey Tev!

habe alle meine Kurzfilme komplett nachsynchronisiert. Beim ersten Film wollte ich explizit diesen "sauberen" Sound. Außerdem wollte ich es mir bei den Dreharbeiten etwas leichter machen, indem ich auf eine sauberen externe Tonaufnahme verzichte. Als es dann ans Nachsynchronisieren ging hab ich es bereut, da es doch um einiges es komplizierter und zeitaufwendiger war, als gedacht. Da die Darsteller alle keine Profis waren und es leider nicht genügt den Text lippensynchron zu sprechen, hat es Ewigkeiten gedauert bis es ein halbwegs akzeptables Ergebnis gab. Nicht ohne Grund sind die meisten Profisprecher auch ausgebildete Schauspieler. Wenn man dann im Tonstudio steht und sich darauf konzentriert, dass alles synchron gesprochen wird, passiert es leider nur zu schnell, dass die Stimme nicht das Gefühl transportiert, welches in einer Szene benötigt wird.

Beim zweiten Film war ich schlauer und hatte jemanden dabei der den Ton angelte. Als ich dann zuhause die Aufnahmen durchhörte stellte ich fest, dass sie unbrauchbar waren. Die Szene spielte in einer Bushaltestelle. Und jedesmal wenn ein LKW oder Bus daran vorbeifuhr wurde dieser Lärm von den Wänden der Bushaltestelle reflektiert und machte letztlich die Tonaufnahmen unbrauchbar. Ich entschied mich den Rest des Films wieder ohne externe Tonaufnahmen fortzuführen und wieder verfluchte ich diese Entscheidung beim Nachsynchronisieren - zumindest bei einigen Darstellern. Ich erinnere mich noch an die Anfangssequenz. Da kommt der Hauptdarsteller in einen Kiosk und sagt "Hallo". Der Darsteller schaffte es in 45 Minuten (!!!) nicht dieses "Hallo" so zu sagen, wie er es bei den Dreharbeiten gesagt hatte, so dass wir die Session abbrechen und es an einem anderen Tag nochmal probieren mussten. Andere Darsteller schafften hingegen ihre Parts beim ersten und zweiten Versuch und haben mir dann wieder Hoffnung gemacht, dass dies vielleicht doch ein gangbarer Weg ist.

So habe ich mich beim dritten Film wieder dafür entschieden die Stimmen nachträglich aufzunehmen - geschuldet war dies allerdings in erster Linie der Tatsache, dass die Dreharbeiten immer relativ spontan stattfanden und ich froh war, wenn ich mit den Darstellern Termine finden konnte und dann nicht noch jemanden für den Ton organisieren musste.

Sicherlich, wenn ich nicht kostenlosen Zugriff auf die technischen Möglichkeiten (Gesangskabine, Großmembranmikrofon etc.) gehabt hätte, hätte ich mich sicherlich nicht dafür entschieden. Ein weiterer Vorteil den eine Nachsynchronisation hat ist, dass man nachträglich noch kleine Fehler beheben kann. So hatte bspw. einer der Darsteller dummerweise in einer Szene den realen Namen des Darstellers genannt und niemanden von uns war das aufgefallen. In der Nachsynchro konnte er dann den korrekten Namen nennen (damit es optisch nicht auffällt, dass die Lippen etwas ganz anderes sagen, musste ich natürlich einen Gegenschnitt setzen).

Zum konkreten Ablauf der Nachsynchro:
Als erstes habe ich den Film komplett fertig geschnitten (mit dem Originalton)
Dann Audiospur extrahiert.
Daraus für jede Rolle eine eigene Audiospur erstellt, wo nur die Bereiche zu hören waren, wo sie spricht - alles andere wurde gemutet.
In einem Sequenzerprogramm (z.B Samplitute oder Cubase) die Audiospur geöffnet und diese über Kopfhörer dem Sprecher in der Kabine eingespielt.
Hierzu wurden kleinen Abschnitte (in der Regel waren es Sätze oder Halbsätze) geloopt und dem Sprecher 4-5 mal als Schleife vorgespielt bis er anfing den Text synchron mitzusprechen. Dann habe ich ihn solange mitsprechen lassen, bis die Stimme synchron war und das gewünschte Gefühl transportiert wurde.
Dann ging es zum nächsten Abschnitt. Am Ende wurde die saubere Spur exportiert und in einem Schnittprogramm unter den fertig geschnittenen Film gelegt.
Wenn eine Rolle fertig war kam der nächste Sprecher dran.

Erwähnen möchte ich noch, dass bei der ganzen Sache leider etwas an Atmosphäre verloren geht, die man nur schlecht nachträglich wieder herstellen kann.

Fazit: Ob Nachsynchronisation oder Originalton, beides hat Vor- und Nachteile. Ich persönlich würde mich für Originalton entscheiden, vorausgesetzt ich habe konstant Zugriff auf einen Tonmann. Da dies aber sehr unwahrscheinlich ist, würde ich mich auch beim nächsten mal wieder für die Variante "Nachsynchronisation" entscheiden.
Kritik ist die höchste Form der Zuneigung

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L Lawliet

tevauloser

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5

Freitag, 21. Oktober 2016, 00:19

Danke Lierov für diese umfassende Zusammenfassung aus der Praxis. Was hältst du von meinem obigen Beispiel, das mit einem Tonangler aufgenommen wurde? Es hat da so einen leichten Nachhall von der Fassade, die in ihrer wahren Grösse nicht gezeigt wurde. Und diverse unidentifizierbare Nebengeräusche. Am besten versuche ich halt doch eine Nachsynchro, um den Vergleich zu haben.
Man war geteilter Meinung, die einen fanden es passabel, andere weniger...konnten aber die Mängel nicht bezeichnen. Vielleicht könnte da ein Kenner via soft doch noch etwas zum guten schräubeln.
Vermutlich wäre der OT glaubhafter in einer WW Einstellung, in der man die Herkunft gewisser Athmogeräusche logischer zuordnen könnte.

Lierov

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6

Freitag, 21. Oktober 2016, 00:53

versuchen würde ich es auf jeden Fall mal mit einer Nachsynchro, vorausgesetzt natürlich du hast die technischen Möglichkeiten dazu und die Schauspieler stehen zur Verfügung. Zu deiner Szene... da stört tatsächlich so einiges: man hört den Tonschnitt (z.B. 0:28) und es sind extrem viel störende Nebengeräusche (z.B. knarrender Stuhl 0:40) und auch die Stimme der Dame ist teilweise viel zu leise (1:09 bis 1:11) also schlecht geangelt.

Sicherlich kann ein "Kenner via soft" da ein bisschen was optimieren... hiermal ein Link zu einem Video zu der Postproduktion von "Who Am I" in dem die Möglichkeiten kurz skizziert werden:
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