Für mich gehört die Geschichte einer Location zum Kontext, in dem die Bands dort sich bewegen, mit dazu, gerade wenn Musik da eine größere Rolle spielte und der politisch-kulturelle Background deshalb das Besondere ausmacht, was der Mietproberaum, der Kommerz-Rockclub oder die Garage von Onkel Horst eben nicht haben. Ich komme auch aus der Hausbesetzerszene, vielleicht bin ich da auch einfach zu verbissen, weil es jede Menge solcher Projekte gibt, denen das hässliche Aus droht (in Form von Räumung, Polizeigewalt, Gerichtsprozessen, Menschen die dabei obdachlos werden, Naziübergriffen). Jedenfalls bieten besetzte Häuser den Bands Räume oft für umme, während sie anderswo 200€ Miete abdrücken müssten, und die Gelegenheit, aufzutreten, egal wie klein ihre musikalische Nische ist, weil - abgeleitet aus dem politischen Selbstverständnis - ganz bewusst die Gesetze des Musikmarktes in diesem Raum außer Kraft gesetzt werden sollen. Autonome denken Musik und Politik zusammen, das lässt sich dort nicht so einfach trennen und das hat einen Einfluss auf die dortigen Bands, gerade wenn sie knapp bei Kasse sind, ob sie das nun reflektieren oder nicht. Als Musikerin (und Konzertveranstalterin in eben solchen Locations) weiß ich, dass kleine Bands sowieso immer am Pleitelimit kratzen
- und dass der musikalische Untergrund, in den du Einblicke geben möchtest, ruckzuck aussterben würde, wenn Projekte wie das Epplehaus nicht mehr existieren, aus ganz einfachen wirtschaftlichen Zusammenhängen, egal ob man das nun politisch versteht oder nicht. Die Menschen im Epplehaus arbeiten ehrenamtlich, also scheint das ein wesentlicher Beweggrund für sie zu sein, den du als Filmemacher nicht zwingend behandeln und auch nicht gutheißen, aber nachvollziehen musst. Wenn nicht, wie sollst du das Besondere der Location dem Zuschauer vermitteln?
Ich sage ja nicht, dass du den politisch-kulturell-geschichtlichen Background groß behandeln musst, das kannst du in ein zwei Sätzen und ganz neutral behandeln, wenn du magst. Ich finde nur, ganz ohne Randerwähnung ist es eben nicht voll zu verstehen, mal abgesehen davon, dass dir Altautonome, die so stark von der Musik beeinflusst wurden, dass es ihr Leben und die Kulturgeschichte einer ganzen Stadt verändert hat, dir super interessante Interviews geben können. Wenn du das nicht machen magst - voll ok, aber ich persönlich denke, du verpasst da Chancen. Das sage ich jetzt nicht weil ich in der Szene drinstecke und dafür Werbung machen will, für den Imagefilm eines Konzerns oder ne Doku über den Revierförster würde ich genauso vorgehen. Ganz neutral handwerklich betrachtet: Für ne spannende Doku brauchst du eine Handlung, und die braucht Konflikte, und die Geschichte und der Alltag solcher Projekte ist voll mit Konflikten - sei es mit den Anwohnern, Ordnungsamt, Polizei (Orte, wo es musikbedingt laut ist, und wo viel Alkohol fließt, haben damit immer jede Menge Stress) oder der alltägliche Planungsprozess: Gruppe A will an Termin X ein Konzert machen, Gruppe B lieber eine Lesung, wer setzt sich durch und warum? Band A hat Bier in den Verstärker von Gitarrist B geschüttet, der ist jetzt kaputt, welche Dynamik setzt das in Gang?
Kannst du auch ruhig alles ausblenden, aber warum nicht einfach das Offensichtliche nehmen? Wo du deine Schwerpunkte legst, entscheidest du allein. Es ist dein Film, und ich bin auf das Ergebnis gespannt