Da ich schon lange u.a. als Oberbeleuchter und lichtsetzender Kameramann arbeite kann ich sicher ein bißchen was zur Aufklärung beitragen.
1.) Muss die Spitze zwingend gegenüber der Führung sein? Oder geht auch gegenüber der Aufhellung?
2.) Wenn ein Darsteller ausgeleuchtet werden soll und seinen Kopf schräg hält, so dass eine Gesichtshälfte mehr zu sehen ist, als die andere, muss dann auf diese mehr zu sehende Gesichtshälfte die Führung oder die Aufhellung zeigen? Oder ist das egal?
ad 1) Wo Du die Spitze setzt, bleibt prinzipiell Deiner persönlichen Präferenz überlassen. Ich gehe weiter unten aber genauer darauf ein.
ad 2) Das Führungslicht bestimmt die grundsätzliche Lichtrichtung in Deinem Bild. Von daher ist es sinnvoll, sich vorher Gedanken darüber zu machen, wo es herkommt. Aber auch dazu später mehr.
In der Schule haben wir mal eine Klausur u.a. zum Thema Licht geschrieben und ich hatte die Spitze gegenüber der Aufhellung gezeichnet und das gab Punktabzug. Habe nur nie verstanden warum das so sein soll.
Finde ich ziemlich unsinnig, sowas in einem Test abzufragen - Licht ist immer eine subjektive Sache. Durch so einen Test wird suggeriert, daß Ausleuchten etwas Technisches ist, was man falsch oder richtig machen kann. Mit dem Lehrer würde ich mich gern mal unterhalten...
So, nun zurück zur ursprünglichen Frage:
Ausleuchtung ist keine genaue Wissenschaft - sie unterliegt sehr stark den vorhandenen Gegebenheiten (Raumstruktur, Fensterposition), den technischen Möglichkeiten (Stromversorgung, verfügbares Equipment), Vorgaben, Geschmack, zu erreichendes Ziel (Emotionen, Stimmung) und Zeitgeist.
Die klassische Hollywoodausleuchtung ist eine aufwendigere Version der 3-Punktausleuchtung mit mindestens 4 Scheinwerfern:
Führungslicht (Key), Aufheller (Fill), Spitze (hair light), Hintergrundlicht (background light)
In den 30-40ern gab es das zB Glamourlicht für die (weiblichen) Stars:
(Foto dient als Lehrbeispiel. Copyright liegt bei Columbia Pictures.)
Hierbei wurde mit 5 Scheinwerfern und selektivem Licht gearbeitet.
* Das Führungslicht kommt von 45° links leicht oberhalb der Kameraachse, selektiv nur auf das Gesicht. Das ergibt einen sehr kleinen Nasen- und Kinnschatten.
* Der Aufheller kommt rechts von der Kamera und ist 2 Blendenstufen dunkler, auf gesamten Körper.
* Hintergrundlicht von links, obere Hälfte abgeschattet. Dadurch ist der Hintergrund unten hell und ohne Körperschatten, welcher sich oben durch die Abschattung wieder herausschält
* Zwei Spitzlichter, links und rechts von hinten, 3 Blende überbelichtet. Das rechte kommt aus Kamerahöhe (erkennbar am Schatten im linken Türrahmen) und erzeugt u.a. den Glanz am Kleid. Das linke Spitzlicht kommt von steil oben und setzt ein Glanzlicht auf Haare, Schulter und ihre rechte Hand (links im Bild).
Klassische Ausleuchtung orientiert sich an Rembrandts Malstil - der "Chiaroscuro-Beleuchtung". Dabei wird ein abwechselndes Hell-Dunkel erzeugt, was zu interessanten Kontrasten führt. Dabei kommt das Führungslicht von rechts (45°), die Aufhellung frontal (Helligkeitsverhältnis 1/8), das Spitzlicht (gleichhell wie Führung) von rechts hinten.
Daraus ergibt sich: wenn man das Gesicht mit der Spitze aus dem Dunkel richtig rausarbeiten will, dann muß es der Führung gegenüberliegen. (Das ist aber kein Mantra!)
Hier nun ein paar Beispiele, die ich bei mir im Büro heute schnell mal geschossen habe:
(Zum Vergrößern einfach anklicken.)
* Führungslicht von links
* Spitze von rechts oben
* kein Aufheller
* Führungslicht von links
* Spitze von rechts oben
* Aufheller von rechts (Styro reflektiert Führung)
* Führungslicht von rechts
* Spitze von rechts oben
* kein Aufheller
* Führungslicht von rechts
* Spitze von rechts oben
* Aufheller von links (Styro reflektiert Führung)
* Führungslicht von rechts
* Spitze von rechts oben
* Aufheller von links, aber weiter weg (Styro reflektiert Führung)
Besser wäre in diesem Beispiel wenn die Spitze von links käme, um die Figuren besser aus dem - im rechten Bereich dunkleren - Hintergrund zu arbeiten.
Aus welcher Richtung Du das Führungslicht grundsätzlich setzen sollst, hängt ganz von den Gegebenheiten am Set ab. Befindet sich ein Fenster im Bild, dann ergibt sich die Richtung des Führungslicht automatisch, ist das Fenster nicht im Bild, dann sollte das Führungslicht zumindest konsistent zum Gegenschuß sein.
Hauptziel des Ausleuchtens ist zum einen das Schaffen von Stimmungen und zum anderen das Erzeugen einer plastischen Aufnahme für den Zuschauer (wir wollen ja eine 3D Umgebung auf 2D möglichst räumlich abbilden). Zudem lässt sich durch das Ausleuchten gezielt Information hinzugeben oder wegnehmen, zB wenn ein Lichtstrahl im Hintergrund auf die Statue im Raum fällt - oder die Statue im Dunkeln verschwindet.
Spitzlicht ist heutzutage ein wenig aus der Mode gekommen - der Trend geht eher zu sehr weichem Licht (mit Hilfe von Kinoflos - das sind Leuchtstoffröhren), dabei wird das Licht quasi direkt sanft um das Gesicht "gewickelt". Das kann man wie folgt machen:
* weiches Führungslicht kommt zB von rechts
* Aufheller kommt ebenfalls von rechts aber nahe der Kamera, zudem wird das Licht extrem per Softbox/großflächiger Diffuserfolie weichgezeichnet
Durch diesen Trick führt man quasi das Hauptlicht durch den Aufheller weiter und es blendet nahtlos ineinander, erzeugt extrem weiche Übergänge im Gesicht.
Nochwas zum Thema weiches Licht:
Weiches Licht definiert sich durch seine Abstrahlfläche und den Abstand zum Objekt. Je größer die Fläche und je näher, desto weicher. Ein großes, weiches Licht das sehr weit weg wird erzeugt wiederum hartes Licht, weil es durch die Entfernung zum Punktstrahler wird.