a) Man kann und darf in einem Film nicht so sprechen wie im realen Leben.
b) In deinem Trailer wird von einer Kannibalin gesprochen. Warum nur eine, wenn alle vier das selbe Martyrium durchlebt haben ?
Du wirfst die Frage in den Raum, was wohl passieren würde, wenn die Beißerin auf ein Kind trifft.
a) Diese These ist zu 100 % falsch und beweist genau jenes, was ich in den beiden vorigen Postings beschrieben habe:
Man hat es sich abgewöhnt real Wirkenedes als gute Schauspielerei zu sehen. Die Zuschauer sind durch unzählige verkünzelte und vom Verhalten echter Menschen weit entfernte Filme so verbogen worden, daß sie, immer wenn etwas so gespielt wird, wie es reale Menschen machen würden, aufgrund der Gewohnheiten des sonst so Dargebrachten dies nicht als glaubwürdig und realistisch erkennen sondern sich wundern, warum es nicht so ist, wie sie es von normalen (schlechteren) Filmen gewohnt sind.
Willst du etwa behaupten, die Menschen sprechen so wie in "Batman 1-6" oder "Zweiohrküken" oder "Chicago" oder "Pretty Woman" oder "Rossini" oder "Tortura" oder "Strib langsam 1 - 5", usw.?
Ja, klar, das ist alles sooo realistisch und so überragende Schauspielerei. Und die Werke der anderen deutschen Horror-Amateurfilmer (die ich aus kollegialer Solidariät nicht nennen will) sind alle hochwertigstes Amateurschauspiel (weil du ja im vorigen Posting mir in einem Anfall von extremer Übertreibung sogar das Amateurnieveau noch absprechen wolltest.
b) Mit diesen Äußerungen ist nun alles klar: Du hast meine Filme nie gesehen oder zumindest nicht vollständig (ggf. einen Teil im Vorspulen). Du hast die Trailer gesehen und gehörst in die Gruppe von Leuten (wie im größten Filmforum) die meinten bereits anhand der Trailer sich eine Meinung über 4 Stunden Film fundiert bilden zu können. Gratuliere, du bist ein sehr seriöser Kritiker. Also bleibt die Zahl von Leuten, die meine Filme vollständig gesehen haben und dann trotzdem ein schlechtes Urteil hatten, bei 4 (von ca. 300).
Wer die Filme gesehen hat, weiß, daß alle 4 Kannibalinnen sind und das in der gezeigten Situation im Ultimate-Info-Trailer eine Szene angespielt wird, in der eine der 4 alleine auf ein Kind trifft. Warum sie in dieser Siatuation allein ist, weißt du mit Sicherheit auch nicht und ich verrate es dir auch nicht.
Und da soll ich mir graue Haare wachsen lassen, weil ein Typ, der die Filme nicht richtig gesehen hat schreibt, ich wäre kein guter Regisseur. Wenn das jemand, der die Filme mehrfach gesehen hat und bis ins Detail analysiert hat, wie dieser Helmut W. Klein (den ich übrigens nicht kenne) so etwas schreiben würde, dan nwürde ich mir ernste Gedanken machen. Aber fast alle Kritiken, die über meine Filme geschrieben würden, sind positiv oder sogar überwältigend. Und der Applaus bei der Kinopremiere von Teil 2 kam ja auch nicht von ungefähr. Und die sollen sich alle irren? Die erfahrenen Filmfans auf filmundo (wie Graf Karnstein, den ich auch nicht kenne), die Zeitungskritiker wie Björn Othlinghaus (der keinen Grund hat mir irgendwie Honig um den Mund zu schmieren, weil wir politisch aus gegensätzlichen Lagern kommen) und eben jeder Helmut W.Klein, dessen Kritik ich hier einfach mal einfügen möchte:
Ergreifendes
Drama der anderen Art
[font="]Eine
Filmkritik von Helmut W. Klein[/font]
Die Drama-Trilogie „Kaum mehr als Tiere“, „Kaum besser als ihr“ und demnächst auch
„Kaum noch zu finden“ von
Amateurfilmern aus Lüdenscheid im Sauerland (NRW) ist so schwer in Kategorien
einzuordnen, dass man gleich mehrere Genres bemühen muss, um ihr gerecht zu
werden.
Einerseits sind spielt
die Drama-Substanz der Reihe auf mehreren Klaviaturen des Problemfilms. Da geht
es um missbrauchte Kinder, psychisch gestörte Opfer, Therapiebemühungen durch
Psychologiestudenten, Traumatisierung, Helfersyndrom und seelischen Terror.
Andererseits stellt die
Erweiterung des eigentlichen Dramas auf eine existenzielle Ebene auch noch
größere Fragen in den Raum. Wo hört der Opferstatus auf und ab wann beginnt man
selbst zum Täter zu werden? Was wird der Mensch tun, um in einer ausweglosen
Situation am Leben zu bleiben? Gefährdet man durch den Versuch zu helfen nicht
manchmal auch diejenigen, denen man beistehen will? Welches ist der richtige
Weg mit Menschen umzugehen, die in einer Zwangslage unvorstellbare
Grausamkeiten begangen haben? Ist unsere Gesellschaft bereit für Menschen, die
anders sind? Was unterscheidet den Menschen überhaupt vom Tier? Wieviel
Menschlichkeit kann in jemandem sein, der sich unmenschlich verhält?
Die immer wieder dezent
durchscheinenden Horror-Ansätze bleiben rein physisch im erträglichen Bereich,
sind aber mitunter seelisch schwer zu ertragen, weil sie menschlich unter die
Haut gehen. Dabei steht nicht, wie in üblichen Schreckensfilmen der grausame
Schock im Vordergrund, sondern schmerzlich wird es auf zwei anderen Ebenen. Zum
einen die Ebene, bei der man als Zuschauer leidet, weil eine Filmfigur, die man
lieb gewonnen hat, Schweres zu ertragen hat. Zum anderen auch der ganz anders
geartete Umstand, dass man es bedauert, wenn jemand, der sich bereits auf dem
Wege der Resozialisierung befand, wieder rückfällig wird und tötet. Man fühlt
dabei die Grenze, die durch die Tat überschritten wird und die eine
Eingliederung in die menschliche Gesellschaft nun noch schwerer macht.
Die Handlung zeigt eine
sehr ungewöhnliche Herangehensweise. Im Mittelpunkt stehen vier junge Frauen
(wohl zwischen 20 und 30 Jahren alt), die vermutlich ihr ganzes Leben in einem
Folterzentrum in Osteuropa verbracht haben, wo zahlende Kunden sie und viele
andere Kinder quälen und auf Wunsch auch töten durften. Während jedoch eine
Filmreihe wie „Hostel“ voyeuristisch genau diese Grausamkeiten zeigt, setzt die
„Kaum…“-Reihe erst ein als die vier
dieser Hölle entkommen sind. Man wollte wohl nicht noch einen weiteren
Torture-Porn abliefern, sondern sich eher mit der Frage beschäftigen, ob solche
Opfer wieder zu resozialisieren sind. Dies ist besonders umstritten, weil die
zahlreichen Frauen und Kinder ab einem bestimmten Zeitpunkt dort auf sich
allein gestellt waren als die Folterknechte das Haus nicht mehr aufsuchten.
Eingeschlossen und ohne Nahrung blieb nur Kannibalismus um zu überleben.
Der harte Kampf ums
Überleben und der Umstand, dass Wächter und Kunden ihnen nur einzelne Worte
beigebracht haben, machten die Mädchen zu verwilderten Wesen ohne Sitten und
mit geringen Kommunikationsfähigkeiten. Die Art, wie dies schauspielerisch und
verbal dargestellt wird, ist eines der ganz großen Meisterstücke der Reihe. Man
lässt die Tiermädchen nur einzelne Worte aus zwölf verschiedenen Sprachen
sprechen, also keine zusammenhängenden Sätze. Und vielfach haben sie sogar
verschiedene Worte für dieselbe Sache, wenn Eine einen Begriff z.B. auf
Russisch, eine Andere den Begriff auf Spanisch beigebracht bekommen hat. Dazu
bewegen diese Kannibalinnen sich sehr eigenartig, nämlich unbeholfen, ungelenk,
also gerade so wie Leute, denen man nie gehen beigebracht hat und welche die
meiste Zeit ihres Lebens in Zellen oder Käfigen gehalten wurden.
Zusammen ergibt dies so
ungewöhnliche Gestalten wie es einprägsamer kaum sein kann. Und jede von ihnen
ist ein Individuum, sprich sie unterscheidet sich von den anderen ihrer Art
auch wieder erheblich. Statt hier, wie in Amateurfilmen so üblich, eine überaus
tumbe und eigenschaftslose Zombiehorde zu präsentieren, werden die
vermeintlichen Ungeheuer zu empfindsamen Kannibalinnen mit Seele, Eigenarten,
Emotionen, Verletzlichkeit und einem nicht unerheblichen Sympathiefaktor.
Die Filmreihe lebt auch
sehr stark von dem Zwiespalt in den der Zuschauer gestoßen wird. Er ist
einerseits entsetzt von dem, was die animalischen Frauen getan haben (Babys
gefressen, Menschen getötet), andererseits erkennt er auch ihren Opferstatus,
der Menschen zusteht, die jahrelang bestialisch gequält worden sind. Verstärkt
wird das Ganze durch die Eigenschaften der Mädchen und ihr Verhalten. Sie sind
streckenweise possierlich, wie kleine Katzen, fast schon amüsant in ihrem
urigen Verhalten (was dem tragischen Ernst des Films keinen Abbruch tut). Dann
wieder ist es auch sehr eklig, was sie tun: Urinieren, spucken, popeln, rohes
Fleisch essen. Auch die Angst, welche die Studenten vor den Kannibalinnen
empfinden, kann man gut nachvollziehen. Eine immer wieder unvorhersehbar
ausbrechende Aggression gehört nämlich ebenfalls zum Spektrum der Reaktionen
dieser Tiermädchen. Das Mitleid und der Wunsch zu helfen überwiegen jedoch bei
Zuschauern und den vier Studenten, die in einer Waldhütte den vier verwilderten
Mädchen begegnen.
Dies ist auch die
Handlung des ersten Teils „Kaum mehr als
Tiere“ (2012), bei dem über eine lange Zeit (92 Minuten) entwickelt wird,
wie die Studenten die Tiermädchen kennenlernen und in kleinen und kleinsten
Schritten deren Hintergründe ergründen. Dazu bedient sich der Film extrem
unüblicher Stilmittel, denn manche Szenen werden fast 8 Minuten ohne Schnitt
laufen gelassen. Dies ist für den heutigen tempoverwöhnten Zuschauer schon sehr
gewöhnungsbedürftig und verlangt enorme Geduld. Wenn beispielsweise gezeigt
wird, wie die Studenten sich vorsichtig im Garten den Verwilderten nähern, sie
füttern und beobachten, dann ist so eine Szene von vielen Minuten ohne Schnitt
langatmig, aber sie ist auch zugleich faszinierend, weil etwas absolut
Ungewöhnliches gezeigt wird, was so in Filmen normalerweise nicht vorkommt:
Außergewöhnliche Menschen und deren scheinbar natürliches Verhalten und wie
schwer es ist, zu solchen Geschöpfen Kontakt aufzunehmen. Der Zuschauer, der
sich auf den Realismus des Gezeigten einlässt, wird quasi in die Handlung
hineingezogen. Man fühlt sich wie ein Nachbar, der das komplette Geschehen vom
Zaun aus mit eigenen Augen beobachtet. Auch durch die naturklaren Bilder wirkt
das Ganze nicht mehr wie ein Film, wie etwas künstlich Erzeugtes, sondern wie
Realität, die man fast hautnah erlebt.
Der weitgehende Verzicht
auf Musik in Teil 1 trägt ebenfalls dazu bei. Nur an vier Stellen, die aber
keine Verbalhandlung besitzen, werden harmonische oder traurige Songs
unterlegt. Die Macher des Films riskieren anscheinend billigend, dass der Film
dadurch relativ trocken wirkt. Es ist kein schwungvoller, unterhaltsamer Film,
aber es ist ein extrem realistischer Film, der tief unter die Haut geht.
Ein emotionaler Moment
ist, wenn „Die Stumme“ (Marion Petersen) zum ersten Mal ihr Schweigen bricht
und andeutet, dass ihr Baby von den anderen getötet worden ist. Der absolute
Höhepunkt ist dann das lange Gespräch der vier Studenten am Tisch, wenn Jessica
(Nina Rosenbohm) die Zusammenhänge und Hintergründe erklärt, die sie zuvor in
mühevoller Beschäftigung mit der Stummen herausgefunden hat. Es gipfelt in
einem verbalen Streit der Studenten über die weitere Vorgehensweise und die
Schuldfähigkeit der kannibalischen Frauen. Dieser ist so intensiv gespielt,
dass man gar nicht mehr glaubt Schauspieler vor sich zu haben, die eine Rolle
abliefern, sondern es scheint sich fast wirklich um Menschen zu handeln, die
ernsthaft und verantwortungsvoll um eine schwer zu lösende Angelegenheit
diskutieren.
Wohl wissend, wie
kraftvoll und gelungen dieser Moment ist, haben die Macher dieses
Streitgespräch fast komplett noch einmal in den Vorspann von Teil 2 „Kaum besser als ihr“ (2015) gepackt,
diesmal allerdings mit sehr emotionaler Musik unterlegt. Es stellt sich
Gänsehaut ein, wenn während der Erzählung von Jessica die Songzeilen laufen:
„There’s no escape, no place to hide“, weil genau dies die Situation der im
Folterzentrum gefangenen Mädchen beschreibt.
Bei dieser direkten
Fortsetzung hat man fast jede zweite Szene mit Musik unterlegt. Es sind wohl
über 30 Songs der österreichischen Band „Pain Before Silence“, die eine
unglaubliche Palette an musikalischen Stilrichtungen offenbart. Da sind
harmonische Stücke, schmerzvolle oder traurige, wilde, ja fast schon abgedrehte
und sogar ein Countrysong. Sogar wenn der Film keinen Inhalt hätte, wäre er
allein schon wegen der Musik sehenswert, besonders da die Stücke äußerst gut
platziert worden sind. Die vielen unterschiedlichen Elemente der Handlung
werden brillant unterstrichen.
Und Handlung hat er mehr als
drei handelsübliche Filme zusammengenommen. Vielleicht hat jemand dem Regieteam
nach Teil 1 vorgeworfen, es würde nicht genug passieren, was durchaus in einer
simplen Sicht der Dinge nachvollziehbar ist. Auf jeden Fall haben sie bei Teil
2 für eine extrem abwechslungsreiche Handlung gesorgt. Die meisten Szenen sind
kürzer als 2 Minuten, teilweise sogar kürzer als 1 Minute. Es passiert ständig
Neues und jedes kleine Ereignis treibt die Handlung voran, auch wenn der
oberflächliche Zuschauer dies vielleicht nicht sofort versteht. Keine Sequenz
ist ohne Sinn für den Gesamtzusammenhang. Und als wenn dies nicht schon
Abwechslung genug wäre, fächert sich der Film nach einer Weile in eine
vierfache Parallelhandlung auf, wenn die vier Mädchen getrennt werden und jede
etwas vollkommen anderes erlebt. An unterschiedlichsten Schauplätzen finden nun
die Handlungsstränge statt: Ein gemütliches Zuhause, eine ungastliche
Lagerhalle, ein Wald und der düstere Keller eines nach außen hin aparten
Hauses.
Statt der 8 Personen aus
Teil 1 (die alle wieder dabei sind) hat die Fortsetzung nun rund 30 Darsteller.
Somit spiegeln die Menschen, die den Tiermädchen diesmal begegnen fast die
komplette Palette an Typen unserer Gesellschaft wieder: Hilfsbereite Menschen,
Gleichgültige, Ängstliche, Gestresste, Bürgerliche, jugendliche Strolche,
Vergewaltiger, Snuff-Movie-Macher und christliche Fundamentalisten.
Es ist eine intensive
Achterbahnfahrt der Gefühle, die den Zuschauer hier erwartet. Da wechselt sich
eine spannende Verfolgungsszene im Wald, wenn ein Hobbyjäger eines der
Tiermädchen als Rache für seinen totgebissenen Neffen zur Strecke bringen will,
ab mit einer sexy Szene, wenn eine andere sich einem hilfsbereiten Mann sexuell
anbietet. Dann gibt es wieder bedrückende Szenen seelischer Grausamkeit gegen
ein in die Hände der religiösen Fanatiker geratenes Tiermädchen, denen
urplötzlich wieder Harmonisches zwischen der Studentin und der schon recht weit
resozialisierten Stummen folgt. Und immer wieder auch die körperlich brutalen
Szenen, wenn die Snuff-Movie-Kerle das vierte Mädchen quälen. Die besondere
Tragik, dass diejenige, die ebenfalls auf der Wege zum zivilisierten Menschen
war, nun so einen Rückschlag erlebt, der sie wieder mit allen Konsequenzen zur
Menschenfresserin werden lässt, erschüttert und macht betroffen.
Während der erste Teil
noch die Geduld des Zuschauers auf eine harte, aber lohnende Probe stellte,
brennt der zweite Teil ein Handlungsfeuerwerk ab, wie man es weder in
B-Pictures noch in großen Hollywood-Filmen, und schon gar nicht in deutschen
Amateurfilmen oft sieht. Dabei sollte man sich keinen hektischen Film mit
schnellen Schnitten, mobiler Kamera oder einer Häufung von Spektakulärem
vorstellen, sondern immer noch einen ruhigen und überschaubaren Film, der aber ständig
etwas bietet, was fesselt und die Handlung weiterentwickelt. Der Film ist immer
noch ein Drama und kein Actionfilm. Der Horroranteil ist diesmal deutlich
größer (18er statt 12er), aber nie selbstzweckhaft oder übertrieben.
Die Effekte stammen
übrigens von den deutschen „Bluthunden“ Lars und Marc Rohnstock, die für
kanisterweisen Einsatz von Blut bekannt sind. Diesmal hält sich der
Splatterfaktor jedoch erfreulicherweise in Grenzen.
Ein Film, der so sehr
Schauspielerkino ist, lebt natürlich von seinen Darstellern. Alles Unbekannte,
teilweise wohl aus der Amateurtheaterszene, teilweise komplette Anfänger. Die
acht Hauptfiguren aus Teil 1 und 2 sind allesamt so gut, dass man wirklich
nachschaut, ob man von denen nicht schon mal irgendetwas gesehen hat.
Prima inter pares ist
Polyanna Move, welche die „Langhaar“ spielt. Sie ist so sehr drin in der Rolle,
daß man den Eindruck hat, sie würde das Tiermädchen nicht spielen, sondern sie
wäre wirklich diese „Langhaar“. Da passt jede Bewegung, jedes Zucken und reagieren
auf andere. Man sollte mit Superlativen eigentlich vorsichtig sein, aber nach
mehrmaligem Ansehen der beiden Teile stellt man doch fest, dass sie die beste
schauspielerische Leistung erbringt, die je in einem deutschen Amateurfilm
gezeigt wurde. Jede Emotion zeichnet sich sofort auf dem Gesicht ab. Eine
Freude über eine nette Geste strahlt aus ihr heraus als würde in ihr die Sonne
aufgehen. Ärger verfinstert ihre Miene. Angst, Verspieltheit, Neugier…alles ist
zu sehen. Und wenn dann fremde Menschen ihr etwas Grausames antun, dann spricht
aus ihrem Gesicht eine solche Mischung aus Erstaunen, Unschuld, Schmerz und dem
Unverständnis warum die das machen, dass man innerlich berührt wird. Seit
langem habe ich bei einem deutschen Film keine Tränen mehr in den Augen gehabt,
aber bei diesen Szenen liefen sie mir die Wangen herunter.
Nicht weit dahinter ist Katharina
Michalenko als „Die Dunkle“. Der Charakter wirkt zunächst finsterer als der von
„Langhaar“. Das Aggressive einer Anführerin mit einigen Ausbrüchen von Zorn und
einer manchmal sichtbar schlechten Laune lässt sie etwas furchteinflößend
erscheinen. Das Überraschende ist, dass auch dieser Charakter tief drinnen
etwas Verletzliches hat. Auch mit ihr fühlt man mit. Sie darf auch mal schwach
und traurig sein. Und wenn sie verzweifelt über ihr Schicksal ist, dann ist der
Zuschauer ganz nah bei ihr. Eine großartige schauspielerische Leistung.
„Die Stumme“ wird von
zwei Schauspielerinnen gespielt. Im ersten Teil war es noch Marion Petersen,
die überzeugt und Mitleid beim Betrachter weckt. Es ist schwer zu sagen, wer
diese Rolle besser spielt. Petersen oder Elise Prêteux, die ab Teil 2 die Rolle
übernimmt. Die neue Darstellerin ist zarter, filigraner und wirkt so
verletzlich, wie eine kleine Blume. Auch ihr Ausdruck ist absolut hervorragend.
Tiermädchen Nr.4 ist
Lydia Schulte als „Die Bissige“. Sie spricht gar nicht, faucht aber dafür umso
mehr. Kein anderer Charakter ist einem gefährlichen Tier so nahe, wie sie. Zwar
fällt ihre Leistung gegen die drei anderen Darstellerinnen etwas ab, aber auch
ihr glaubt man weitgehend das verwilderte Mädchen, was sie sehr körperlich
spielt.
Bei den Studenten ist
Nina Rosenbohm als „Jessica“ sehr einprägsam. Von der Art her würde man bei ihr
am ehesten eine Theaterschauspielerin vermuten, was zwar mitunter etwas
gestelzt wirkt, aber das insgesamt dem Film nicht abträglich ist, denn bei der
Schwere der diskutierten Thema darf eine Darstellung ruhig mal in die Kategorie
eines historischen Dramas gehen und muss keinen Gossenklang haben. Da sie wohl
auch Regie geführt hat, muss man ihr eine doppelt gute Leistung bescheinigen.
Christo Michailidis als
„Christo“ hat eine unglaubliche Kumpel-Ausstrahlung. Er wirkt so anheimelnd,
das mit ihm sofort ein Bier trinken würde. Seit James Belushi hat man so einen
Faktor nicht mehr gesehen. Schauspielerisch in Ordnung, durchaus meistens
überzeugend. Seine Highlights sind eindeutig die Diskussion am Tisch und die
Begegnung mit dem Jäger.
Arne Löber als „Sven“ hat
eine extrem einprägsame Stimme. Es heißt er würde ab und an bei Dokumentationen
im Fernsehen den Hintergrundkommentar sprechen. Er verleiht der Rolle etwas
Kesses und auch er überzeugt in der Diskussion sehr. Im zweiten Teil ist seine
Rolle nicht sehr groß.
Dominik Schweizer wirkt
bescheiden und sympathisch als freundlicher Charakter. Streckenweise gutes
Mittelmaß seine Darstellung, aber bei der Szene als er im Wald allein drei
fauchenden Kannibalinnen gegenüber steht und bei seiner Begegnung mit den
Snuff-Movie-Leuten ist er sehr ausdrucksvoll.
Im zweiten Teil kommen
dann einige interessante Charaktere dazu.
Das fromme Ehepaar kann
überzeugen. Man glaubt ihnen, dass sie überzeugt sind etwas Gutes und
Gottgefälliges zu tun. Diese feste Haltung, dass nur ihr Weg der richtige ist,
wird von Gabriela Dierkes glänzend gemimt. Eine vollkommen überzeugende
Leistung. Ihr Ehemann Rudolf Karg ist noch schräger in seiner Darstellung, aber
auch dies passt irgendwie. Das Weltfremde und Eigenartige der Frommen bringt er
zum Tragen.
Die beiden Snuff-Movie-Macher
sind ein echter Gewinn für den Film. Ingo E. Löwen als Kopf ist von einer
diabolischen Boshaftigkeit, die in Blofeld-Kategorien reicht. Sein Mitläufer Jerome
(Nils Nilssøn) wirkt so harmlos und nett, dass es besonders scheinheilig wirkt,
wenn er mit Freundlichkeiten ein Tiermädchen in vorbereitete Fallen lockt.
Torsten Hampel als
„Torsten“ wirkt am normalsten von allen. Eine Identifikationsfigur für jeden
jungen Arbeiter oder Angestellten. Durchaus auch Sympathieträger und bis auf
kleinere Passagen überzeugend.
Die vielen kleineren
Sprechrollen fallen nicht unangenehm auf. Das ist schon mal ein Unterschied zur
Mehrzahl der deutschen Amateurfilme. Die Schwächen, die dort fast alle
Darsteller haben, treten bei „Kaum besser als ihr“ allenfalls in den
Nebenrollen zu tage.
Die Optik unterscheidet
sich von Teil 1 zu Teil 2 schon sehr. Auch die Akustik ist um zwei Klassen
besser geworden. So gesehen sind die Teile also rein technisch nicht homogen,
was im Vergleich zu professionellen Trilogien sicher ein Nachteil ist.
Dennoch sollte man nicht
den Stab brechen über die Technik, denn insgesamt ist sie besser als in den
meisten anderen Amateurfilmen. Statt verwackelter, unscharfer Bilder, wie wir
sie in der Regel von deutschen Amateurproduktionen bis zur Jahrtausendwende
gewöhnt sind, wird bereits im ersten Teil, der noch eindeutig mit einer
Hobby-Kamera aufgenommen wurde, ein so klares und deutliches Bild geliefert,
dass es man wahrscheinlich denken würde man würde alles mit eigenen Augen
sehen, wenn man die DVD nicht vorher eingelegt hätte. Die Farben sind frisch
und auf natürlichste Weise gesättigt. Streckenweise richtig schön die Aufnahmen
im sonnendurchfluteten Garten. Auch von den Schwenks und Perspektiven lässt
sich das Team einiges einfallen. Besonders gelungen eine Szene, bei der die
vier Studenten essend im Garten sitzen und zunächst eingefangen werden als ob
sie der alleinige Mittelpunkt wären. Dann wandert die Kamera von vorne nach
hinten um sie herum, schwenkt, erweitert dabei erheblich das Blickfeld und
zeigt, dass die vier Tiermädchen ein Stück entfernt kauern und somit auch in
dieser Idylle in einer Mischung aus beginnender Vertrautheit und immer noch
vorhandener Unheimlichkeit präsent sind.
Negativ ist zu bemerken,
dass in einer anderen Szene der Schatten des Kameramanns im Bild ist. Das hätte
man rausschneiden müssen, zumal diese Passagen auch Tonaussetzer haben. Aber
diese Pannen machen alles in Allem nur rund 2 % von „Kaum mehr als Tiere“ aus
und sind darum zu verschmerzen. Die Fortsetzung hat übrigens solche Fehler
nicht mehr.
Bei „Kaum besser als ihr“
registriert man den Einsatz einer Profi-Kamera und anscheinend auch eines
Experten dahinter. Die Bilder unterscheiden sich kaum noch von denen großer
Kinofilme. Sie sind vielfach dunkler und haben diesen düsteren Touch ernster
Gruselfilme. Mit der diesmal wohl überwiegend künstlichen Beleuchtung wird
erheblich gespielt, d.h. die unterschiedlichen Handlungsabschnitte erhalten
durch andere Beleuchtung auch ein anderes Flair. Da gibt es die hellen,
harmonischen Szenen, dann die rauen Action-Handlungen im Wald, das eiskalte
Licht der erbarmungslosen Snuff-Movie-Themas, und die finstere Düsternis der
hoffnungslosen Gefangenschaft bei den frommen Menschen. Wenn diese streng
gläubigen Christen sich jedoch in ihrem Wohnzimmer befinden, erhält die
Szenerie plötzlich das gemütliche Licht eines behaglichen Heimes, in das man
sich gerne mit einem guten Buch setzen würde.
In Sachen Beleuchtung hat
die Filmreihe also einen Quantensprung gemacht. Trotzdem muss man anmerken,
dass die natürlichen, hellen Bilder des ersten Teiles einen ganz eigenen Charme
haben, der im zweiten nicht erreicht wird. Die Übersichtlichkeit und
Erkennbarkeit ist also im ersten definitiv höher, ebenso wie die farbliche
Eigenästhetik. Übrigens kann man bereits an einigen im Netz (amazon)
veröffentlichten Bildern erkennen, dass es dem Team beim ersten Teil gelungen
ist viele sehr einprägsame Sequenzen zu schaffen.
Diese Individualität, man
könnte fast sagen Exklusivität, der Bilder geht im zweiten Teil ein wenig
verloren durch die Ähnlichkeit zur großen Hollywood-Mainstream-Optik.
Andererseits hat es aber auch wieder Vorteile nun so viele Stimmungen durch
Licht unterstreichen zu können. Die Farben des zweiten Films sind gedämpfter
und ähneln mehr Ölgemälden als dem natürlichen Blick. Dementsprechend haben
beide Teile ihren ganz speziellen optischen Reiz.
Die Akustik ist von Teil
1 zu Teil 2 um zwei Klassen besser geworden. Man versteht alles klarer und bis
auf zwei Waldszenen, die hinter der Musik ein übles Rauschen haben, sind alle
anderen rund 60 Szenen auch ein akustischer Pluspunkt, zumal die Musik diesmal Gefühle,
Bewegungen und Situationen intensiv unterstreicht.
Thematisch sind diese
preiswert produzierten Filme trotz ihrer geringen filmischen Größe echte
Schwergewichte. Die Existenz von kommerziell betriebenen Folterhäusern, von der
man schon in einigen seriösen und unseriösen Medien erfahren hat, in denen
kleine Kinder und junge Frauen unmenschlich gequält werden, ist etwas auf das
die Filmreihe ohne Effekthascherei hinweist. Es zu behandeln ohne es zu zeigen
beweist, dass man der Versuchung widerstanden hat die Folterkellerwelle noch um
ein weiteres überflüssiges Exemplar auszuschlachten. Allerdings erliegt man der
Versuchung im zweiten Teil ein wenig, denn dort sind sowohl fiese Verletzungsfallen
der Snuff-Leute als auch seelische Grausamkeit durch die christliche Sekte
vorhanden, welche man beide als Folterkeller-Szenarien bezeichnen könnte. Trotz
diesen durchaus auch für ein Horror-Publikum interessanten Handlungsteilen sind
die Sequenzen nicht selbstzweckhaft, sondern erfüllen dramaturgisch den Zweck
der mitleiderzeugenden Tragik, wenn die Mädchen, die bereits vorher so viel
durchgemacht haben, schon wieder in die Hände von grausamen Menschen fallen. Gerade
auch in dieser Hinsicht trägt der Film die Züge einer klassischen Tragödie, bei
der alle guten Bemühungen edler Menschen die Protagonisten nicht vor einem
schrecklichen Schicksal bewahren können.
Außergewöhnlich ist
dabei, dass weder eine deprimierende Entwicklung noch ein filmisches Happy End
sich in irgendeiner Weise ablesen lassen. Im Gegensatz zu handelsüblichen
Filmen, bei denen man bereits nach zehn Minuten weiß, wer sterben wird und
welchen Verlauf die Handlung nehmen wird, liegt bei „Kaum besser als ihr“ kein
Schema vor, das erraten werden kann. Wie im realen Leben passieren Dinge
einfach, oft durch zufällige Begegnungen. Und wie in der Wirklichkeit können
diese Begegnungen dann auch angenehm oder gefährlich sein. Die Verteilung des
Zuschauerinteresses auf acht bzw. neun Hauptfiguren lässt eine Einteilung in
Rollenklischees, wie das von der Heldin, die alles überleben wird, nicht zu.
Bei so vielen Zentralcharakteren kann jede(r) jederzeit sterben. Dies erhöht
die Spannung ungemein.
Ein mindestens genauso
wichtiger Spannungsfaktor ist die Ambivalenz der Tiermädchen. Sie sind weder
gut noch böse. Ihre Rollen enthalten ein solch vielschichtiges Paket an
liebenswerten, ekelhaften und grausamen Eigenschaften, dass man nachvollziehen
kann, wie hin- und hergerissen die Studenten sein müssen in ihrer Betrachtung
ob sie diese fremdartigen Geschöpfe nun für gefährlich oder schutzbedürftig
halten sollen.
Man kann als Filmkenner
lange nachgrübeln ob es schon mal Horrorgestalten gegeben hat, die eine so
starke Zwiespältigkeit ausgewiesen haben, wie die Kannibalenmädchen dieser
Trilogie. In den allermeisten Horrorfilmen sind Schauergestalten sehr
eindimensional angelegt. Da gibt es die geistlosen Zombies, gefräßigen Creeps
und Crawlers (wie in „The Descent“) , die dummen Schlitzer á la Jason, die zynischen
Sprücheklopfer á la Freddy, die frechen Störenfriede vom Schlage eines
„Leprechaun“. Eine Ambivalenz anderer Art hatten drollige Quälgeister wie „Die
Gremlins“ und „Die Critters“, aber es war kein Tiefe in diesen Gruselkomödien,
sondern reiner Spaß. Hin und wieder sind Filmvampire ambivalent in ihrer
Mischung aus finsterem Blutdurst und erotischer Verführungskunst. Auch die Qual
eines Menschen, der sich in einen Werwolf verwandelt, hat in einigen Werken
eine Zwiespältigkeit. Aber keine dieser Figuren trägt die ganz spezielle
Mischung aus kindhafter Hilfsbedürftigkeit, tierischer Unschuld, unhygienischem
Ekel, kannibalischer Brutalität und sogar einem Schuss archaischer Sinnlichkeit
in sich, wie es die verwilderten Frauen der Kaum-Reihe haben.
Man kann sich wirklich
wünschen, dass ähnlich aufwendige Erzählstrukturen und liebevoll ausgearbeitete
Charaktere noch mehr Einzug und B-Pictures und vielleicht sogar Amateurfilme
halten mögen.
Nun erhebt sich die
Frage, ob die unbekannten Leute, die diese Reihe ins Leben gerufen haben,
nämlich Hans Schulte und Nina Rosenbohm, alles allein erdacht haben oder ob sie
irgendwo abgeschrieben haben. Eines kann man vorab feststellen: Sie sind nicht
den Weg anderer Amateurfilme gegangen, die einige blutige Zombiefilme
konsumieren und dann den gleichen Inhalt einfach mit noch mehr Blut nachdrehen.
Bei „Kaum mehr als Tiere“
und „Kaum besser als ihr“ hat man sich eine neue und sehr detaillierte
Geschichte einfallen lassen, was heute schon eine echte Seltenheit ist. Wenn
dafür Inspirationsquellen genutzt wurden, so hat man diese mit derartig vielen
anderen Eingaben vermengt, dass wieder etwas Neues aus der Synthese entstanden
ist.
Man stößt im Netz auf
Verweise zu einer Inspiration durch die Jack-Ketchum-Filme „Beutegier“ und „The
Woman“. In einzelnen Passagen kann die Kaum-Reihe dies auch nicht verbergen,
denn einerseits haben die Kannibalinnen eine eigene Kultur miteinander
entwickelt, wie auch der Kannibalenstamm aus „Beutegier“ es hat, obwohl die
Kulturen des US-Filmes und des deutschen
Amateurstreifens schon sehr unterschiedlich sind. Die Tiermädchen sind
mehr Gejagte und neugierig Suchende, während Ketchums Stamm eher Jäger und
Täter ist. Die Folterkeller-Sequenzen aus „The Woman“ haben bestimmt auch eine
Quelle für die Quälereien durch die frommen Christen bei „Kaum besser als ihr“
gebildet, während die heimtückischen Fallen der Snuff-Movie-Leute
offensichtlich auf laienhafte Art an die Saw-Filme erinnern. Die beiden Täter
selbst erinnern mehr an „Funny Games“. Übrigens ist die bissige Abrechnung im
Finale sogar noch blutiger ausgefallen als das Mahl, was sich „The Woman“
herausbeißt, und die Genugtuung, die man dabei fühlt, ist mindestens die
Gleiche.
Auch die Art der
Erzählung einer schrecklichen und kannibalischen Vergangenheit durch die schöne
Studentin Jessica im ersten Teil hat ein Pendant, nämlich das auch von
Hollywood verfilmte Theaterstück „Plötzlich im letzten Sommer“. Es ist ganz und
gar andere Vorgänge, aber der Erzählung der großen Auflösung ist ein ähnlicher
Stil. Der erzieherische Umgang mit der Stummen lässt an die großartige und
leider sehr wenig bekannte Helen-Keller-Verfilmung „Licht im Dunkel“ von 1962
denken.
Die Jagdszenen einer Menschjagd
finden sicher auch Parallelen in diversen klassischen („Graf Zaroff“) und
modernen Filmen. Aber auch hier ist so etwas noch nirgendwo an
schutzbedürftigen Kannibalinnen praktiziert worden.
Wie man sich auch dreht,
man kommt immer wieder zu dem Schluss, dass die Kaum-Reihe in allen Bereichen
eigene Wege geht und selbst Anregungen durch andere Filme nur einen kleinen
Teil des Scripts ausgemacht haben können.
Bleibt abschließend die
Frage noch der Qualität des Films und seiner Einordnung gegenüber anderen
Filmen. Es gibt vier Faktoren, welche die Kaum-Filme für sich ins Spiel bringen
dürfen: Dialoge, Inhalt, Darsteller und Musik.
Die Dialoge sind besser
als das Übliche, was es in deutschen Fernsehproduktionen zu hören gibt. Ja sie
sind sogar besser als in einer Vielzahl von kleinen, mittleren und großen
Hollywood-Produktionen, weil sie nicht die unentwegt gehörten Klischeesätze
enthalten, sondern erfrischend anders sind. 90 %
Über den Inhalt habe ich
schon genug geschrieben. Er ist sehr gut, d.h. anspruchsvoll, differenziert, im
zweiten Teil sogar relativ kompliziert, intelligent und menschlich. In diesem
Bereich kratzt die Reihe an den 100 %, wenn gleich man auch hier eine
Steigerung für möglich halten kann.
Die Darsteller wurden
hinlänglich beschrieben und sind teilweise sogar besser als jede mir bekannte
deutsche Fernsehserie. Sie mit den Darstellern anderer deutscher
Amateurproduktionen zu vergleichen, würde sehr schnell die üblichen Ergüsse heimischer
Laien schwach aussehen lassen. Sie stehen zwei bis drei Stufen über allem, was
bislang an deutschem Amateurwerk gezeigt wurde. Aufgrund der Schwächen einiger
kleiner Nebenrollen gebe ich 80 %.
Die Musik ist in beiden
Teilen sehr gut, im zweiten sogar überragend, weil sie den Betrachter geradezu
in den Film hineinzieht. Eine 100 % Wertung wäre hier nicht falsch.
Eine Schwäche sind, wenn
man so will, die Effekte. Im ersten Teil zu wenig, und im zweiten Teil manchmal
gelungen und manchmal etwas dürftig. Die erste Beißszene hätte überzeugender
sein können. Die Quälereien dürften gerne spektakulärer sein, z.B. wenn jemand
auf eine heiße Platte tritt, sollte es dampfen und zischen. Die
Glassplitter-Aktion ist wiederum gut gelungen. Das Finale ist sicher die beste
Ansammlung von Effekten im Film und recht hart. Man hat dabei sogar an kleine
Details gedacht wie eine Stimme, die versiegt, wenn eine Kehle durchgebissen
wird. Für Effekte insgesamt 50 %.
Die Sprachakustik ist im
ersten Teil nur bei 40 %, im zweiten bei über 80 %.
Die Dekoration von Teil 1
ist dürftig. Die Räume im Rückblick, in denen ja entsetzlich gemordet worden
sein soll, überzeugen nicht. Alles ist zu sauber und normal. Die Hütte der
Studenten ist besser, aber kein Highlight. Darum hier nur 20 %.
Teil 2 hat eine
interessante und recht passende Auswahl von fast zwei Dutzend Räumlichkeiten,
sodass man, trotz auch hier bescheidener Ausstattung 50 % geben kann.
Die Optik wurde bereits
behandelt und da beide Arten einen eigenen Reiz haben, gebe ich gute 90 % dafür
als Durchschnitt aus Teil 1 und 2.
Soweit die Details.
Die Einordnung gegenüber
anderen Filmen sollte immer berücksichtigen mit welchem kleinen Budget hier
gearbeitet wurde. Teil 1 hat praktisch nichts gekostet. 200 €, die sicher nicht
mehr waren als eine warme Mahlzeit und die Reisekosten für die Darsteller. Der
zweite ist sichtbar aufwendiger und soll 5000 € gekostet haben, was immer noch
weniger ist als alleine das Blut in einem durchschnittlichen deutschen
Amateur-Splatter kostet. Hinzu kommt, dass „Kaum mehr als Tiere“ an einem Tag
in 14 Stunden gedreht worden ist, was unglaublich ist, wenn man die inhaltliche
Tiefe und darstellerische Intensität betrachtet.
Vergleicht man die
Budgets deutscher Amateurfilme, so sind die meisten zwischen 10.000 € und 400.000
€ angesiedelt.
Bei Projekten wie Oliver
Krekels „Robin Hood – Ghost of Sherwood“ (2012) mit Kosten von 200.000 €
gedreht in 3D und Hollywood-Star Tom Savini fragt man sich, ob dies wirklich
noch Amateurfilme sind oder nicht etwa schon kommerzielle B-Pictures. Die
Projekte von Herr Krekel zählen sicher zu den unterhaltsamsten im hiesigen
Lo-Budget-Markt, aber auch zu den teuersten, denn bereits ein „Cross Club“
(1999) kostete 125.000 €.
Richtig große Sprünge
kann der König der deutschen Effekte Olaf Ittenbach machen: „Dard Divorce“
(2007) 400.000 €, „Chain Reaction“ (2006) 1 Million €, „Legion oft the Dead“
(2001) 2,7 Millionen, „Burning Moon“ (1992) 35.000 €. Ja weit ist er gekommen
der Meister Ittenbach seit er 1989 für 2.000 DM „Black Past“ realisierte.
Ebenfalls aus dem Vollen
schöpft ein Marcel Walz, bei „La Petit Mort II“ (100.000 €) und „Seed 2“ (1,2
Millionen €).
Sogar einem Timo Rose ist
der fünf- und sechsstellige Bereich nicht fremd: „Lord oft he Undead“ (2004)
75.000 €, „Barricade“ (2007) 12.000 €, „Unrated: The Movie“ (2009) 20.000 €,
„Death Wish: Zero“ (2015) 300.000 € und „Reeperbahn“ (2016) 300.000 €.
Andreas Schnaas hatte zur
Verfügung: „Anthropophagus 2000“ (1999) 25.000 €, „Nikos the Impaler“ (2003)
65.000 €, lediglich sein erster „Violent Shit“ (1989) kostete nur 2.000 €.
Ein Jörg Buttgereit
konnte für seinen Episodenfilm „German Angst“ (2015) auf 30.000 € aus
Crowdfunding zugreifen.
Die Mini-Budgets brachten
dort meistens auch sehr dürftige Filme hervor, siehe Jochen Taubert
(„Exihibitionisten Attacke“, „Piratenmassaker“, „Pudelmützen Rambos“) und
Andreas Pape („Kettensägenzombies“) und Maik Ude („The Butcher 1-3“,
„Tuberkulose“, „Abnormis“). Und sogar
Klamauk wie von Simon und Thilo Gosejohann wirft fünfstellige Kosten aus
(„Operation Dance Sensation“ 2003 für 10.000 €).
Es gibt allerdings
löbliche Ausnahmen, wie Julian Schöneich, der für 15.000 € „Roulette“ (2013)
realisierte, was ein erstaunlich gutes Preis-Leistungs-Verhältnis ist. Und
besonders auch Heiko Bender, der nur 1.000 € brauchte um aus „Kinder der Nacht“
(2009) erstaunlich stilvollen Kultfilm mit brillanter Musik zu machen.
In der Liga dieser beiden
hervorstechenden Ausnahmefilme spielt auch „Kaum besser als ihr“, allerdings
auch eine noch seriösere Art, denn seine Tiefgründigkeit und seinen teils
bitteren Ernst erreicht keiner der Genannten. Ebenso ist es mit er Musik, denn
obwohl „Kinder der Nacht“ (Teil 1 und 2) ein Rausch an psychodelischer Musik
ist, die alleine den Konsum der Filme schon sinnvoll macht, so ist es dort aber
trotzdem unentwegt der gleiche Musikstil, der die Vampirsaga im Gothic-Milieu
umgarnt. Im Unterschied dazu hat „Kaum besser als ihr“ gleich ein Dutzend
grundverschiedener Musikstile, was für mehr Abwechslung und eine exaktere
Anpassung des Sounds an den jeweiligen Handlungsabschnitt sorgt.
Das größte Plus der
Kaum-Reihe gegenüber allen anderen deutschen Amateurfilmen, und da sind mir
wirklich keine Ausnahmen bekannt, obwohl ich von den genannten Regisseuren alle
Werke gesehen habe, sind die Darsteller. Schauspielerisch ist die Reihe, ja
auch ihr technisch bescheidener erster Teil, eine Klasse für sich im
germanischen Amateurfilm-Bereich. Man hat bei Studenten, Tiermädchen und
Bösewichtern tatsächlich den Eindruck, dass sie diese Personen sind und nicht
einfach nur wie ein Kasperle ihren Text aufsagen. Da wird scheinbar
improvisiert, dann gibt es wieder bedeutungsschwere Dialoge, dann reagiert man
spontan auf die Geste eines Anderen, die Augen verfolgen Mitspieler oder die
Miene trübt sich ein, wenn jemand Negatives den Raum betritt. Vergleicht man es
mit den halbtot wirkenden üblichen Amateurminen anderer deutscher Filme, so ist
dies geradezu ein Bombardement an schauspielerischen Ausdrucksformen.
Ein wichtiger Grund für
das Gelingen der Darstellung könnte sein, dass niemand (außer vielleicht den
Tiermädchen) versucht mehr zu sein als er darstellen kann. In anderen
Amateurstreifen werden Elitekämpfer, Agenten, Polizisten, Generäle, Politiker,
Vampire, Superhelden und andere hochtrabende Figuren dargestellt – und daran
scheitern sie. Kein einziger dieser Großkopferten wirkt überzeugend, sondern es
ist stets erbärmlich, wenn Uli von Nebenan oder Martina aus dem Supermarkt
versuchen bedeutende Funktionsträger darzustellen. Und dieser Lächerlichkeit
sind sich die Filmemacher anscheinend bewusst, weshalb besonders in heimischen
Amateurproduktionen ständig das Mittel der Ironisierung oder des Abdriftens in
die Groteske benutzt wird. Da wird das Overacting zur Selbstverständlichkeit
und man übertreibt die Handlung bis zur völligen Lächerlichkeit. Das mag zwar
als Abwechslung von bierernsten Hollywoodstreifen mal ganz amüsant sein, aber
auf die Dauer ist es absolut nicht mehr lustig in fast jedem deutschen
Amateurerguss wieder diese laienhafte Persiflage zu sehen.
Und fast genauso schlimm
ist es, wenn die heimischen Amateure mal erst und spannend sein wollen. Dann
wirken fast alle Charaktere kalt, unmenschlich und unnahbar (siehe Ittenbach
und Walz). Man fragt sich woher der Hang dazu kommt, die Personen meckernd,
zickig, großmäulig und einfach ultra unsympathisch zu zeigen. Sehen die Herren
Amateurfilmer so unsere reale Welt? Ist das ihre Vorstellung von Schauspiel?
Diese menschliche Wärme,
die man bei wirklich jedem Horror-Amateurfilm aus deutschen Landen vermisst,
hat die Kaum-Reihe des Teams Schulte/Rosenbohm aber, und genau das macht sie zu
einem Diamanten unter den Kieselsteinen. Während man am Schicksal keines
einzigen Low-Budget-Horror-Darstellers irgendwie interessiert ist, sondern
allen falls an der Menge, die er/sie ausbluten kann, so lebt und webt man mit
den Tiermädchen und Studenten aus „Kaum besser als ihr“ in jeder Sekunde. Man
möchte nicht, dass ihnen Schlechtes widerfährt. Man bangt um sie.
Natürlich ist die
Kaum-Reihe im Bereich der Effekte schwach gegen die Spektakel eines Walz oder
gar eines Ittenbach, aber wenn die Faszination von Filmen nur daraus bestehen
würde eine möglichst blutige Schlachtplatte zu servieren, dann wären die Werke
eines Marc Rohnstock („Necronos“) auch besser als die Werke von James Cameron
und das sind sie definitiv nicht.
Die meisten
internationalen B-Pictures, auch die aus Hollywood, sind, besonders wenn sie Horrorinhalte
haben, stupide und langweilig, inhaltsleer und klischeebeladen, und vor allem
laufen sie nur einem Trend nach. Sie imitieren große Vorbilder. In verstärkter
Form gilt dies für fast alle deutschen Amateurfilme, die zudem noch überwiegend
grotesk und albern sind. Aber alles dies kann man über die Kaum-Reihe nicht
behaupten, die wirklich fesselt und neue Gedanken bringt.
Zieht man also ein Fazit
aus allen genannten Punkten von Schauspielern über Optik und Musik bis hin zur
außerordentlich feinen Dramaturgie, so ist „Kaum besser als ihr“ in der Summe
der beste Amateurfilm, der bis jetzt in Deutschland gedreht wurde. Und das für
niedliche 5000 €. Man stelle sich vor das Team hätte einmal die Beträge zur
Verfügung, die ein Ittenbach oder ein Krekel ausgeben dürfen…
Francis Ford Coppola hat
einmal gesagt, dass er es für möglich hält, dass ein 8jähiges Mädchen aus der
amerikanischen Provinz mit seiner Hobbykamera den besten Film der Welt dreht.
Nun, der beste Film der Welt ist es nicht geworden, aber ein unbekanntes Team
aus dem Sauerland hat im Verborgenen den besten Amateurfilm Deutschlands
gedreht.
Helmut W. Klein