Ich habe schon lange keine längere Kritik mehr geschrieben. Vielleicht deshalb, weil schon lange kein Kurzfilm mehr erschienen ist, der mich so sehr in den Bann ziehen konnte. Das hat „Das Mädchen namens Lena“ aber geschafft.
Da du immer sehr ausführliche Kritiken gibst, möchte ich mich auch gar nicht zurückhalten und einfach drauflos schreiben.
Ich muss sagen – der Film hat mir echt wunderbar gefallen. Allein von der Idee her (und da kriegst du noch ordentlich auf die Finger, aber dazu später
), wie auch von der Umsetzung. Ein paar Dinge zu meckern hab ich dennoch.
Achtung: Der nachfolgende Teil kann Spoiler enthalten. Bitte nicht lesen, bevor ihr den Film gesehen habt!
Aber fangen wir mal an. Schon der erste Shot hat voll die Wirkung gezeigt. Die Idee, das Auge des Mädchens zu zeigen find ich toll. Erstens hat sie echt interessante Augen, schon von den Farben her. Zweitens: Man sagt ja die Augen sind der Spiegel zur Seele. (Lasst mich auch mal eine romantische Ader haben
) Und das passt irgendwie zu dem Film. Der Off-Text sagt im Prinzip das Gleiche, nur ein bisschen ausgeschmückter. In dem Fall schon mal Top Einstieg. Man macht sich automatisch über die Augen des jungen Mädchens Gedanken und versucht sie, obwohl man sie gar nicht weiter kennt, einzuschätzen.
Warum aber blendet gleich darauf die Musik aus? Das versteh ich nicht. Gerade wegen der Schwarzblende und dem Titel, dazu die Totale, hätt ich sie weiterlaufen lassen. Irgendwie schade, denn man wird so ein kleines bisschen rausgerissen. Der darauf folgende Monolog ist aber wieder gelungen. Nachvollziehbar auch. Das der Kerl durch den Sucher der Kamera zuerst den Body abcheckt – war ja wohl klar.
Naja, schließlich kommt was kommen muss, natürlich geht er rüber und spricht sie an. Ich glaub, als Zuschauer ist man erstmal ebenso verwirrt wie Jonas, als sie keine Anstalten macht irgendwie zu reagieren oder ihm zu antworten. Als wenn sie ihn gar nicht bemerkt oder absichtlich ignoriert. Die Frage wird ja dann aufgelöst, als es schließlich doch zur Konversation kommt.
Dabei ist mir dann schon aufgefallen: Schauspielerisch ist das Mädchen wirklich gut, der Darsteller von Jonas aber leider viel zu übertrieben. Wenn er mir so gegenüber gestanden hätte, hätt ich ihn weggeschickt.
Schon aus dem Grund, weil er mir so vorkam, als hätte er zu dem Zeitpunkt einen schlechten Tag gehabt. Vom Dialog an sich fand ich das nicht übel, nur sein Auftreten war mir zu forsch. Das blieb übrigens den ganzen Film so über. Klar, er sollte einen Hitzkopf spielen und auch etwas unsicher wirken, aber vom Charakter her wirkt er in den Monologen anders.
Das Mädchen hat aber, und da muss ich Jonas Recht geben, eine tolle Ausstrahlung. Sie sagt nicht viel, aber das brauch sie auch gar nicht, da sie allein mit ihrer Mimik und Gestik den Zuschauer überzeugen kann. Man merkt ihr dieses Geheimnisvolle echt an. Aufgrund dessen sticht der Unterschied zwischen ihr und Jonas sehr hervor.
Die Foto-Szene war übrigens echt schön, ist gelungen. Tolle Bilder eingefangen. Vor allem das letzte, an diesem Teich, hat mir echt gefallen. Das war richtig cool.
Danach, als sie die Foto Session beenden und Lena gehen will, wieder die nächste Überraschung. Sie lässt ihn einfach im Regen stehen, als er nach ihren Namen fragt (Obwohl der Zuschauer ja schon weiß wie sie eigentlich heißt ^.^). WIE sie ihn aber stehen lässt, war wieder klasse gespielt. Dieses kurze Lächeln, dieser Blick auf die Hand, die kurze Unsicherheit die dann der Entschlossenheit weicht. Genial! Der Charakter des Mädchens wird im Film sehr genial erzählt.
Die darauf folgenden weiteren Treffen mussten natürlich auch weiterhin geheimnisvoll bleiben. Wieder schöne Einstellungen, tolle Bilder eingefangen, Farbkorrektur ist klasse. (Zu den technischen Aspekten komm ich dann noch)
Als er ihr dann zugibt, dass er nicht möchte, dass sie geht, fand ich das schon wieder ein bisschen zu heftig dargestellt. Kann er ihr das nicht normal sagen? Wie auch immer, ich fands cool, als sie seine Hand nahm. Dieser Blick, mit dem sie ihn angesehen hat – klasse.
Warum folgt er ihr eigentlich nur in 10 Metern Abstand?
Das muss sie doch gemerkt haben. Naja, zum Schluss war es ihm ja eh egal. Also sind sie in der Lagerhalle angekommen. Schon cooles Szenario. Endlich stellt Jonas sie auch zur Rede, was mit ihr eigentlich ist (auch wenn: „Ich mach mir ernsthaft Sorgen um dich!“ sich absolut nicht danach angehört hat…)
Und so erfahren wir auch endlich Lenas Geschichte. Die simple Logik ist sehr interessant. Im Prinzip bewegen wir uns schon in Richtung Fantasy / Mysterie.
Jetzt ist auch der Zeitpunkt gekommen, um dir endlich auf die Finger zu hauen!
Die Idee, ein Mädchen aus einer anderen Welt und die Entwicklung einer kleinen Liebesgeschichte – hab ich selbst auch schon gehabt. Warts ab, mein nächster Film wird denk ich Aufklärung schaffen… echt fies, du bist mir zuvor gekommen.
*auf die Finger hau*
So. Die Reaktion. Die Geschichte ist raus. Lena hat Jonas vertraut, als er ihr sagte, dass er ihr glauben würde. Natürlich tut er das nicht, das hätt ich auch nicht erwartet. Ich glaube dennoch, ich an seiner Stelle hätte anders reagiert. Versucht, den Grund zu hinterfragen und nicht blind und wütend drauflos zu handeln. Aber okay, Jonas ist ein hitzköpfiger Charakter, der seine Reaktion spätestens gelernt hat, als er das Licht ausmacht. Übrigens auch echt cool, ihr letztes verzweifeltes „Bitte“.
Im Prinzip hätte genau an der Stelle Schluss sein können. Aber okay, auch die letzte Szene fand ich nicht schlecht. Man kann sich ja dennoch aussuchen, ob Lena die Geschichte nun erdacht hat, oder nicht.
Insgesamt betrachtet eine wunderschöne Geschichte, die du wunderbar umgesetzt hast. Jetzt noch ein paar allgemeine Dinge.
>> Zum Schauspielerischen hab ich ja schon was gesagt, insgesamt sehr gut von Beiden, obwohl ich Leonie Bredl dann doch besser fand als die darstellerische Leistung von Simon Straub. Er war mir teilweise zu übertrieben.
>> Kamera: Klasse Arbeit, nichts besonderes, aber das hat auch niemand erwartet. Sehr gut, gibt’s überhaupt nix zu meckern dran.
>> Farbkorrektur / VFX: Sehr gelungen. Ohne Kompromisse, ziemlich gut gemacht. An ein, zwei Stellen hätte man noch paar nette Sachen machen können, aber an sich wunderschön gewesen, dass die Wirkung des Films extrem gesteigert hat.
>> Musik: Hier bin ich zwiegespalten. Zum einen fand ich als dominierendes Instrument die Gitarre echt toll. Stellenweise hätt ich mir mehr Musik gewünscht. Wie schon gesagt, dass die Musik am Anfang gleich ausblendet mit der Schwarzblende fand ich schade. Des Weiteren fand ich die Untermalung bei dem Schlussakt, als er dabei ist, das Licht überall auszuschalten, viel zu…mmh…na ja, es hat einfach nicht gepasst. Wäre hier nicht ein Aufbau des Themas und damit die steigende Dramatik besser gewesen? Dieses primitive Schlagzeug und die Atmo…. das hat nicht gepasst, zu dem ansonsten wundervollen Score. Hier hätte man ruhig noch mal besser auffahren können.
Ansonsten ein gewollter, minimalistischer Score, der seine Wirkung tut. Ich muss zugeben, dass Abspannlied hats mir wirklich angetan. Toll gesungen, eine wunderschöne Melodie (die ich irgendwo her kenne?) Gibt’s das Lied auch irgendwo zum Download?
(Ohne Scheiß, ich finds echt toll)
Fazit: Ein klasse Film, definitiv das Beste, was ich hier seit langer Zeit sehen durfte. Technisch absolut Top, auch die Geschichte ist klasse. Gibt nur kleine Dinge, die verbesserungswürdig sind, ansonsten echt toll. Kriegt von mir einen Daumen hoch.
(Und natürlich auf die Finger, aber das weißt du ja schon)
Hoffe, man sieht in Zukunft mal mehr von euch.
Schattenlord