Die Schulzeit ist vorbei für Harry Potter, nachdem Hogwarts von den dunklen Mächten übernommen wurde. Er feiert seinen 17. Geburtstag - Zeit, schnell erwachsen zu werden. Das gilt auch für die Fantasy-Reihe selbst. Driftete „Harry Potter und der Halbblutprinz" noch als eine Art „Harry Potter und die Wilden Hühner" in pubertäre „Twilight"-Seichtigkeit ab, serviert David Yates mit „Die Heiligtümer des Todes" nun den mit Abstand düstersten Teil der Reihe. Gleich zu Beginn stirbt ein treuer Gefährte aus Harrys Umfeld - es herrscht Weltuntergangsstimmung, was sich auch in den kühlen Bildern von Eduardo Serra („Blood Diamond", „Geheime Staatsaffären") adäquat widerspiegelt. Besonders die ausgiebig eingesetzten, episch-schönen Landschaftspanoramen wecken Assoziationen zu den „Der Herr der Ringe"-Filmen, zumal das Trio Harry, Hermine und Ron sich die meiste Zeit auf Wanderschaft im Hobbit-Stil befindet. Aber Yates bedient sich bei aller Konzentration auf das Potter-Universum inszenatorisch nicht nur bei Peter Jackson, sondern auch bei Brian De Palma, dessen famose CIA-Einbruchssequenz aus „Mission: Impossible" wohl Pate für den Horkrux-Beschaffungs-Coup im Zaubereiministerium gestanden hat. Harry, Hermine und Ron infiltrieren unter Einnahme des Vielsafttrankes, der sie äußerlich für begrenzte Zeit das Aussehen eines anderen annehmen lässt, das Zaubereiministerium, das fest in der Hand von Voldemorts Schergen ist. Yates greift das Big-Brother-Is-Watching-You-Motiv aus „1984" auf, hüllt die Angestellten der Einrichtung in Naziuniformen und kühlt das Klima des siebten „Harry Potter"-Teils auf den Gefrierpunkt herunter. Sehr schön gelingt Yates die Erklärung der titelgebenden Heiligtümer des Todes (der Elderstab, der Stein der Auferstehung, der Tarnumhang), nach denen Lord Voldemort trachtet, um tatsächlich Unsterblichkeit zu erlangen. Was diese Artefakte bedeuten und wie sich die Legende gebildet hat, illustriert Yates in einem animierten Exkurs, der stilistisch stark an die Werke eines Tim Burton („Corpse Bride", „The Nightmare Before Christmas") erinnert.
Allgemein sind die Ideen und Einflüsse, die Yates von außen in die Potter-Welt hineinbringt, interessant, aber aus dem ehemaligen TV-Regisseur ist noch immer kein überragender Filmemacher geworden. Mit „Harry Potter und der Orden des Phönix" und „Harry Potter und der Halbblutprinz" legte der Brite die schwächsten Teile der Reihe vor. Aber für eine solide Regie reicht es diesmal schon. Nach dem temporeichen Beginn gönnt sich Yates im Verlauf der zweieinhalb Stunden Spieldauer wesentlich mehr Ruhe als in allen Teilen zuvor. Auf Harrys Zelttour durch die englische Prärie wird ausgiebig gewandert. Hier schleichen sich zwar auch ein paar Längen ein, aber für die Atmosphäre sind die Passagen trotzdem wichtig. Drehbuchautor Steve Kloves, der außer „Harry Potter und der Orden des Phönix" alle Teile schrieb, kann sich deshalb enger an die Buchvorlage von Joanne K. Rowling halten als üblich. Viele der Handlungsstränge der Vorgänger sollen im großen Finale zusammenlaufen. Teil 1 endet übrigens nicht mit einem klassischen Cliffhanger. Natürlich ist nur die erste Hälfte des Buches erzählt, aber inhaltlich steht der Schluss für eine Zäsur innerhalb der Geschichte. Der Punkt der Teilung ist auf jeden Fall geschickt gewählt.
Die Konzentration auf Harry, Hermine und Ron, die oft allein unterwegs sind, fordert die Schauspieler dieses Mal besonders heraus. An den Fähigkeiten des Trios hat sich nichts geändert. Daniel Radcliffe ist weiterhin okay als Harry Potter, aber bei den emotionalen Momenten überfordert. Immerhin ist er bei einer der atmosphärischsten Szenen dabei, wenn Harry und Hermine zu den Klängen von Nick Caves „O Children (lift up you voice)" einen etwas unbeholfen wirkenden, aber Nähe vermittelnden Tanz auf den Zeltboden legen. Rupert Grint nimmt seine Pflicht als Oneliner-Lieferant ernst - trotz der wesentlich düstereren Grundausrichtung des Films. Dazu muss er als Bockiger im Liebesdreieck herhalten, weil er glaubt, Hermine fühle sich mehr zu Harry hingezogen als zu ihm. Letztendlich geht auch seine Leistung in Ordnung. Emma Watson ist ihren zwei Kollegen immer noch deutlich überlegen, bekommt in diesem Teil aber nicht ganz so viele Möglichkeiten, sie an die Wand zu spielen.
Auf die Nebendarsteller der guten Seite ist erneut Verlass, selbst wenn die Rollen nicht allzu groß ausfallen. Bei den Bösewichten erhält Voldemort die meiste Leinwandzeit, die der bis zur Unkenntlichkeit unter einer Maske versteckte Ralph Fiennes nutzt, um diabolisches Charisma zu verströmen. Ansonsten ist der Film wieder einmal bis in die kleinen Nebenrollen mit dem britischen Schauspielestablishment besetzt, was der Qualität zu Gute kommt. Schade ist jedoch, dass Alan Rickman als griesgrämiger Severus Snape nur einen kleinen Auftritt spendiert bekommt - profitierte das Franchise doch bisher ungemein von seiner enormen Präsenz. Die Figuren-Neuzugänge spielen nur eine untergeordnete Rolle. Bill Nighy eröffnet als Zaubereiminister mit einem pathetischen Monolog den Film und Rhys Ifans fällt als Xenophilius Lovegood eine Schlüsselrolle zu. Bei aller schauspielerischen Qualität, die den Film stärkt, ist es aber ausgerechnet Hauself Dobby (Stimme: Toby Jones), der in einer herzzerreißenden Szene die größten Emotionen auf die Leinwand zaubert.
Hier mal ne etwas längere Kritik die manche interessieren könnte. (Nicht von mir)