ich bin jetzt 37 und somit beinahe seit fast 20 jahren ausgebildeter und praktizierender schauspieler.
ich bin heterosexuell, habe in meinem leben auch schon homoerotische erfahrung gesammelt. und ich plaudere jetzt mal aus dem nähkästchen: kuss-, liebes- und sexszenen stellen für den grossteil der schauspieler, die den beruf erlernt haben und nun davon leben (müssen) immer eine grosse anspannung und herausforderung dar.
auch, wenn man es schon hundert und tausend mal gemacht hat. auch, wenn man sich immer wieder vor augen hält, dass es allein die professionalität erfordert, sich seinem bühnen(oder film)partner anzunähern, es ist nicht einfach. ob der partner nun gleich- oder andersgeschlechtlich ist - wenn man einen anderen menschen derart tief in seine intimsphäre eindrigen lässt, sträuben sich allen auch nach vieljähriger berufserfahrung die nackenhaare.
ich bin jetzt vom rollentypus generell nicht der jugendliche liebhaber (war ich auch äusserst selten), sondern vielmehr entweder der tolpatschige dussel oder aber auch der gefährliche gegenspieler, aber immer, wenn ich in die verlegenheit gerate, auf der bühne zärtlichkeiten mit einem kollegen/in auszutauschen, muss ich zuerst einmal eine ordentliche barriere der scheu ablegen.
und ich weiss von zahlreichen kollegen, dass es denen nicht anders geht. am wenigsten denken sich noch die, die in wirklich jeder produktion in jedem ensemble den romeo spielen und ständig über eine julia herfallen müssen. aber auch die tun sich dann schwer, wenn sie auf einen neue partnerin eingespielt werden müssen.
was ich damit sagen will: stellt euch bloss nicht vor, schauspieler hätten keinen grossen respekt vor liebesszenen, nur weil sie zufällig ausgebildet sind. ich selbst beispielsweise bin ein offener und freizügiger mann, der sich nicht davor scheut, privat auch mal einen mann, der ihm gefällt in aller öffentlichkeit zu küssen. und trotzdem fühle ich mich unwohl dabei, einen kollegen vor publikum oder laufender kamera küssen zu müssen.
selbst jake gyllenhaal und heath ledger hatten - zumindest anfangs - grosse probleme damit, in den eindeutigen szene von brokeback mountain spielerisch zueinander zu finden.
was kann man als regisseur gegen diese "angst" tun? lass den profi raushängen. sei sachlich, ruhig und professionell. so vermittelst du deinen darstellern seriosität und verschaffst vertrauen. dränge sie zu nichts. schubse sie nicht weiter, als sie im moment zu gehen bereit sind.
lass dir auf jeden fall zeit für den film und ganz besonders für die homoerotischen szenen. du wirst merken, wenn du deine schauspieler "einfach so machen" lässt, und ihnen zeit und gelegenheit gibst, einander (auch abseits des projekts) näher zu beschnuppern, werden sie von selbst zu experimentieren beginnen. du kannst von niemandem - auch nicht von professionellen schauspielern - verlangen, dass sie zack-zack eine möglichst innige und dazu noch höchst authentische homoerotische szene raus klopfen. so etwas muss wachsen - also lass es mit dem projekt wachsen.